Machtkampf in russischer Führung Geheimdienst FSB ermittelt gegen Wagner-Chef Prigoschin
Der russische Geheimdienst FSB ermittelt gegen Söldnerchef Prigoschin wegen versuchten Militärputsches. Der hatte zuvor Moskaus Militärführung einen Angriff auf seine Wagner-Gruppen vorgeworfen und mit Gegenmaßnahmen gedroht.
Die russischen Behörden haben Strafermittlungen gegen den Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wegen eines Aufrufs zum Militärputsch aufgenommen. Dieser habe zum Kampf gegen Moskaus Militärführung aufgerufen, teilte das Nationale Anti-Terror-Komitee laut Nachrichtenagentur Interfax mit. Konkret gehe es um seine Drohung, Verteidigungsminister Sergej Schoigu zu stürzen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, es würden alle notwendigen Schritte unternommen. Präsident Wladimir Putin sei über die Lage informiert.
Prigoschin rief zum Kampf auf
Der Söldner-Chef hatte dem russischen Verteidigungsminister Schoigu zuvor vorgeworfen, dieser habe Angriffe auf Lager der Wagner-Truppen angeordnet. "Wir waren bereit, Zugeständnisse an das Verteidigungsministerium zu machen, unsere Waffen abzugeben", sagte Prigoschin. Dennoch hätten "sie Raketenangriffe auf unsere hinteren Feldlager ausgeführt".
Prigoschin sprach von einer "großen Anzahl" an Toten, nannte aber keine genaue Zahl der angeblich bei dem Schlag getöteten Söldner. Der Wagner-Chef sagte, das "Böse" der Militärführung müsse gestoppt werden und gelobte, auf die Angriffe zu antworten. Er habe 25.000 Männer unter Befehl, die nun zu einem Einsatz gegen die für den Angriff verantwortlichen Befehlshaber ausgerückt seien.
Er forderte die Armee auf, keinen Widerstand zu leisten. Jeder Kontrollpunkt, der sich widersetze, werde unter Feuer genommen. Angreifende Flugzeuge würden abgeschossen. Seine Truppe sei nicht darauf aus, Putin herauszufordern. "Wir werden mit denen, die russische Soldaten vernichten, aufräumen und dann an die Front zurückkehren", versicherte er.
Nationale Anti-Terror-Komitee: Strafverfahren eingeleitet
Das russische Verteidigungsministerium bestritt einen Angriff. Alle Anschuldigungen seien falsch und eine "Provokation", hieß es in einer am Abend verbreiteten Erklärung des Ministeriums. Auch das Nationale Anti-Terror-Komitee nannte die Vorwürfe haltlos.
"Die Behauptungen, die im Namen von Jewgeni Prigoschin verbreitet werden, entbehren jeder Grundlage. Darum hat der FSB auf der Basis dieser Aussagen ein Strafverfahren wegen des Aufrufs zu einem bewaffneten Umsturz eingeleitet", heißt es in der verbreiteten Erklärung der Behörde. Dem Komitee gehören neben dem FSB praktisch auch alle anderen russischen Sicherheitsorgane an.
Chef der Söldnertruppe Wagner: Russischer Inlandsgeheimdienst FSB ruft zur Festnahme Prigoschins auf
Prigoschin stellte Kriegsgründe infrage
Mit den Äußerungen habe Prigoschin möglicherweise den Bogen überspannt, sagte ARD-Korrespondentin Ina Ruck in Moskau in den tagesthemen. "Das ist eine klare Putschdrohung - nicht gegen den Präsidenten, sondern gegen den Verteidigungsminister", so Ruck. Ob die Äußerungen wahr sind, sei unklar. "All das kann frei erfunden sein, oder es kann stimmen."
Den ganzen Freitag über hatte Prigoschin heftig gegen die Militärführung in Moskau gewettert - und deren offizielle Kriegsgründe infrage gestellt. Entgegen der russischen Propaganda-Behauptung sagte Prigoschin in einem Video, Russland sei vor Kriegsbeginn im Februar 2022 überhaupt nicht durch die Ukraine gefährdet gewesen. Die angeblich "wahnsinnige Aggression" vonseiten Kiews und der NATO habe es so nie gegeben.
"Das Verteidigungsministerium versucht, den Präsidenten und die Öffentlichkeit zu täuschen", sagte Prigoschin, der sich bereits seit Monaten in einem internen Machtkampf mit Schoigu befindet. "Die militärische Spezial-Operation wurde aus ganz anderen Gründen begonnen." Dann fügte der Wagner-Chef hinzu: "Der Krieg war notwendig, damit Schoigu den Titel eines Marschalls erhält. (...) Und nicht, um die Ukraine zu demilitarisieren und zu denazifizieren." Außerdem hätten sich russische und prorussische Oligarchen Vorteile von dem Krieg erhofft, sagte Prigoschin.