Geburtsklinik in Kiew Wo der Strom niemals ausfallen darf
In der Geburtsklinik 2 in Kiew bangen Personal und Mütter täglich darum, dass die Stromversorgung hält. Die Zahl der Geburten ist seit Beginn des Krieges gesunken, doch gibt es immer mehr Frühchen.
Winzige Füße, winzige Hände und ein leises Schreien - das kleine Mädchen verschwindet fast auf dem Arm seiner müden Mutter. Es kam nach nur 33 Wochen auf die Welt. Sein weißes Gitterbett steht auf der Frühchenstation der Geburtsklinik Nummer 2 in Kiew. Die besonders verletzlichen Wesen dort sind an lebenswichtige Geräte angeschlossen.
Bei einem Stromausfall sprängen die rettenden Dieselgeneratoren der Klinik an, und die kurze Energielücke, die entstehe, werde überbrückt, sagt Ärztin Olga Kovaltschuk: "Wir haben eigene Generatoren und eine Ausrüstung, die im Prinzip eine Weile durchhalten kann. Geräte, die zum Beispiel die Lunge künstlich beatmen, haben eingebaute Batterien, die lange halten. Für eine Stunde, eine halbe Stunde, 15 Minuten." Wenn der Strom ausfalle, werde auf die Generatoren umgeschaltet. Das dauere eine Sekunde - "und das geht, weil der interne Akku funktioniert".
Alles hängt im Notfall an den Dieselgeneratoren
Das ukrainische Energiesystem wird seit fast zwei Monaten von Russland systematisch angegriffen, und das Land hat mit unberechenbaren Ausfällen zu kämpfen. In der Geburtsklinik Nummer 2 fiel der Strom bisher glücklicherweise nur einmal aus.
Nach dem Blackout Ende November seien die Dieselgeneratoren sieben Stunden lang gelaufen, berichtet Vizedirektorin Olena Jaroschtschuk. "Das liegt auch an unserer Lage. Wir sind im Zentrum, und das Kraftwerk, das uns versorgt, wurde bisher, Gott sei Dank, nicht getroffen. Auf der anderen Seite des Flusses Dnepr ist es viel schlimmer."
Und dann hätte sie auch etwas weniger Patientinnen, erzählt Jaroschtschuk. Viele seien aus Angst weggegangen. Frauen, die im März und April schwanger geworden seien, brächten jetzt die Babys auf die Welt. Damals habe es aber eine Menge Schwangerschaftsabbrüche gegeben.
Mehr Frühgeburten seit Beginn des Krieges
Seit dem Beginn der russischen Großinvasion kämen in der Klinik nur etwa halb so viele Kinder auf die Welt wie zuvor - und viele würden früher geboren, berichtet die erfahrene Direktorin, die die ersten Monate nach dem russischen Überfall buchstäblich in der Klinik lebte. Wissenschaftlich sei das nicht untersucht, aber der Stress könne eine Rolle spielen.
In den vergangenen Monaten kamen viele Schwangere nur über abenteuerliche Wege zur Entbindung - so wie im März aus damals russisch besetzten oder umkämpften Gebieten im Raum Kiew. Die jungen Frauen hatten zuvor in feuchten, kalten Kellern ausharren müssen, erzählt Jaroschtschuk. Das sei pures Gift für sie gewesen. Blasenentzündungen, Grippe oder auch Corona seien die Folge gewesen. Auch die Babys hätten Probleme gehabt.
Geburten kann man nicht planen: Mutter und Kind auf der Frühchenstation der Geburtsklinik Nummer 2 in Kiew.
"Keine Garantie, dass Frieden und Wohlstand warten"
Dascha Kurbanowa verbindet den unheilvollen 24. Februar mit zwei sehr unterschiedlichen Gefühlen. Die russische Armee griff flächendeckend ihre Heimat an, und sie stellte fest, dass sie schwanger war.
"Moralisch war das sehr schwierig", erzählt Kurbanowa. "Allein der Luftalarm. Das Wort kommt von 'alarmiert sein', also von etwas, das der Seele Angst macht. Es ist mir sehr schwer gefallen, mich moralisch und körperlich zusammenzureißen. Zu entspannen und ruhig zu sein. Denn es gibt keine Garantie, dass auf dich Frieden und Wohlstand warten."
Neun Monate später sitzt die 25-Jährige strahlend auf ihrem Krankenhausbett und schaut auf ihr schlafende Tochter Zlata: "Sie ist kein Kind des Krieges, sondern ein Kind des Sieges. Denn darauf hoffe ich, und das ist für mich eine große Motivation. Wenn du ein Kind unter dem Herzen trägst, musst du auch bei den schlimmsten Nachrichten daran denken - denn sie fühlt, was ich fühle."
Taschenlampen für alle, die in den Keller müssen
Die junge Juristin kann mit ihrer Tochter noch an diesem Tag nach Hause. Für andere hält die Geburtsklinik unter anderem große Wasser- und Trinkwasserreserven bereit - und Taschenlampen für alle, die bei einem Luftalarm in den Keller hinunter müssten.
"So war es am 10. Oktober und am 23. November, als wir so massiv mit Raketen angegriffen worden sind", berichtet Jaroschtschuk. "Wir hatten kein Licht und kein Wasser. Aber in Operationsräumen oder dort, wo Kinder wiederbelebt werden können, haben wir immer Licht, denn das ist ja ein ernstes Problem. Geburten kann man nicht planen, und die Kinder kommen einfach auf die Welt."