Treffen mit Amtskollege Kuleba Baerbock besucht Ostukraine
Außenministerin Baerbock hat der Ukraine einen Besuch abgestattet - und sich vergleichsweise nahe ans derzeitige Kampfgebiet gewagt. Mit ihrem Amtskollegen Kuleba war sie in Charkiw und ließ sich Zerstörungen durch russische Angriffe zeigen.
Bis zur Abreise war der Besuch aus Sicherheitsgründen geheim gehalten worden: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist in der Nacht von Polen aus mit dem Zug in die Ukraine gefahren. Am Morgen wurde sie in Kiew empfangen. Von dort reiste sie in den Osten weiter, als erstes Mitglied des Bundeskabinetts seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor bald einem Jahr.
In Charkiw nahe der russischen Grenze, der zweitgrößten Stadt des Landes, besichtigte sie verschiedene zerstörte oder beschädigte Orte, unter anderem ein Umspannwerk und ein Kinderkrankenhaus. Begleitet wurde sie vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Charkiw gehört zu den seit Kriegsbeginn am stärksten bombardierten Städten. Ein Drittel der rund 1,5 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner, viele von ihnen russischsprachig, sind geflohen.
Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.
Baerbock sichert weitere Hilfen zu - auch Waffen
Baerbock sagte, Deutschland wolle weiter helfen. Die Menschen sollten wissen, "dass sie sich auf unsere Solidarität und unsere Unterstützung verlassen können". Dazu zähle eine Winterhilfe mit Generatoren, Brennstoff und Decken, aber "auch weitere Waffenlieferungen, die die Ukraine braucht, um ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zu befreien, die noch unter dem Terror russischer Besatzung leiden". Sie besuchte das Land nur wenige Tage nach der Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung deutscher Schützenpanzer vom Typ "Marder", die die Ukraine immer wieder gefordert hatte.
Ihr sei wichtig, "dass wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren". Die Ukrainer sähen ihre Zukunft in der EU. Die Bundesregierung wolle konkrete Angebote machen, damit das Land bei der Stärkung des Rechtsstaats, unabhängiger Institutionen, der Korruptionsbekämpfung, sowie bei der Angleichung an die EU-Standards vorankomme.
Die Ministerin besuchte unter anderem ein Kinderkrankenhaus - als Geschenke brachte sie Malstifte und Powerbanks mit, weil oft der Strom ausfällt.
Auch den im Norden gelegenen Stadtteil Saltiwka besichtigte Baerbock - hier ist besonders viel zerstört.
Derzeit Kämpfe um Soledar und Bachmut
Das Kampfgeschehen in der Ukraine konzentriert sich derzeit auf die südöstlich von Charkiw gelegenen Städte Soledar und Bachmut. Sie sind dabei von strategischer Bedeutung: Beide sind Teil des ukrainischen Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk. Die Einnahme des Gebiets wäre aus russischer Sicht ein bedeutender Schritt hin zur Eroberung des gesamten Donbass - eines der Kriegsziele des Kremls.
Im täglichen britischen Geheimdienst-Briefing hieß es, reguläre russische Truppen und Einheiten der Söldnergruppe Wagner hätten in den vergangenen vier Tagen taktische Vorstöße in Richtung Soledar gemacht und kontrollierten wahrscheinlich den größten Teil des Orts.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Lage bei Soledar in seiner nächtlichen Videoansprache als sehr schwierig bezeichnet. Er hob jedoch den Widerstand der Soldaten hervor. Dieser verschaffe der ukrainischen Armee Zeit: "Die Schlacht um den Donbass dauert an."
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Besuche deutscher Politiker in der Ukraine
Seit Kriegsbeginn haben immer wieder deutsche Politikerinnen und Politiker die Ukraine besucht, unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz im Juni vergangenen Jahres und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Oktober. Außenministerin Baerbock war zuletzt im September im Land - damals in der Hauptstadt Kiew.