Nach dem Angriff auf Hrosa "Mit nur einer Rakete haben sie das ganze Dorf beerdigt"
Nach dem russischen Angriff auf das ukrainische Dorf Hrosa wird das ganze Ausmaß deutlich: In jeder Familie gibt es Opfer. Ein UN-Team soll den Angriff untersuchen. Unterdessen schlagen weiter Raketen ein.
Einen Tag nachdem eine russische Iskander-Rakete in Hrosa eine ganze Beerdigungsgesellschaft auf einen Schlag ausgelöscht hat, gibt es innerhalb und außerhalb der Ukraine viele geschockte Reaktionen und Verurteilungen. Auch die Menschen der Region und vor allem im betroffenen Dorf stehen unter Schock, und es herrscht große Fassungslosigkeit.
Aus jeder Familie des kleinen Ortes waren offenbar Menschen beim Leichenschmaus für einen gefallenen Soldaten aus dem Dorf, der auf seinem Heimatfriedhof umgebettet worden war. Unter den mindestens 52 Toten sind nun auch dessen Witwe und sein Sohn sowie seine Eltern.
In jeder Familie Opfer
Der Ort Hrosa hat etwa 330 Einwohner - fast 200 weniger als vor Beginn der russischen Großinvasion und zeitweiser russischer Besatzung. Alle hätten bei dem Angriff Angehörige verloren, erzählt eine Bewohnerin von Hrosa: "Mit nur einer Rakete haben sie das ganze Dorf beerdigt. In jedem Haus wird es nicht nur einen Sarg geben, sondern drei vier oder fünf. Ich bin hier geboren und habe alle gekannt, alle, die getötet wurden."
Es wird weiter nach menschlichen Überresten gesucht
Die Rakete zerstörte das Gebäude mit dem Café und die Fenster in etwa 25 umliegenden Häusern. Von den bisher sechs gemeldeten Schwerverletzten starb am Freitag einer im Krankenhaus, erklärte der Chef der regionalen Militärverwaltung von Charkiw, Oleh Synehubow. Die fünf anderen kämpften weiter um ihr Leben, sie seien sehr schwer verletzt.
Nach Angaben der Polizei werden noch vier Menschen vermisst, zwei von ihnen sind Kinder. Der Katastrophendienst hat die Trümmer wegräumen können, doch nach wie vor werde nach menschlichen Überresten und Leichen gesucht.
Hrosa liegt im Bezirk Kupjansk in der Region Charkiw. Die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelt wegen "Verstoßes gegen auch im Krieg geltende Gesetze" in Verbindung mit vorsätzlichem Mord. Auch der UN-Menschenrechtsbeauftragte kündigte an, ein Team nach Hrosa zu entsenden, das den russischen Angriff untersuchen soll.
Raketen "hergestellt in Russland"
Am Freitagmorgen mussten auch in der Stadt Charkiw Trümmer weggeräumt werden, nachdem Russland erneut angegriffen hatte. Dort starben ein kleiner Junge und seine Großmutter, als ihr dreistöckiges Wohnhaus getroffen worden war. 30 Menschen wurden dabei verletzt.
Der Chef der Nationalen Polizei der Region Charkiw, Serhij Bolwinow, sagte im Rahmen der Ermittlungen nach dem Raketeneinschlag: "Wir haben die Reste der Iskander-Rakete entfernt, und ich möchte jetzt ein Stück dieser Rakete zeigen, das sehr symbolisch ist: Hier steht 'hergestellt in Russland'. Russische Raketen töten Zivilisten. Russische Raketen töten unsere Kinder." Das sei ein schreckliches Verbrechen, das er als "Kriegsverbrechen" bezeichnete.
Kaum Zeit, sich in Sicherheit zu bringen
Die Region Charkiw wird praktisch täglich beschossen, sie liegt an der Grenze zu Russland. Die Menschen dort haben oft weniger als eine Minute Zeit, um sich in den Schutzraum zu retten. Vor dem Angriff auf die Stadt Charkiw am Freitagmorgen konnte nach Angaben der Staatsanwaltschaft kein Luftalarm ausgelöst werden - der Angriff ging einfach zu schnell, und die russische Rakete sei vermutlich nicht auf dem Radar aufgetaucht, so ein Vertreter der Staatsanwaltschaft.