Spanien Ein erster Test für Sánchez
Bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments will Spaniens Ministerpräsident Sánchez seine Chancen auf eine Regierungskoalition ausloten. Doch die erste Machtprobe wartet schon.
Man kann nur hoffen, dass Spaniens König Felipe VI. Puzzlespiele mag, denn das politische Puzzle, das er in Madrid vor sich hat, ist für Fortgeschrittene: Elf Parteien sind im neuen spanischen Parlament vertreten, darunter auch Kleinstparteien mit teils nur einer oder einem Abgeordneten, die aber bei der Frage einer Regierungsmehrheit entscheidend werden könnten. Das muss der König mitbedenken, denn ihm obliegt es, den Auftrag für die Regierungsbildung zu erteilen - und das schon bald.
Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Abgeordnetenhauses dürfte daher neben politischen Beobachtern auch der Monarch aufmerksam verfolgen und seine Schlüsse daraus ziehen. Denn die grundsätzlich übliche politische Gleichung - stärkste politische Kraft versucht sich als erste an der Regierungsbildung - funktioniert im politisch fragmentierten Spanien schon länger nicht mehr. Die Kernfrage ist also: Wer ist der aussichtsreichere Kandidat, um den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten?
Auf die Kleinen kommt es an
Das Problem: Keiner der beiden großen Blöcke kommt ohne weiteres auf eine stabile eigene Regierungsmehrheit, weder die konservative Volkspartei (PP) noch die sozialdemokratisch ausgerichtete Sozialistische Partei (PSOE). Mit 137 Abgeordneten sind die Konservativen zwar deutlich stärkste Kraft im neu gewählten Abgeordnetenhaus, eine Mehrheit für eine rechte Regierung haben sie allerdings selbst mit der Unterstützung der Rechtsaußen-Partei Vox nicht.
Hier kommen die Kleinen ins Spiel: PP-Chef Alberto Feijóo hat sich bereits eine Reihe von Absagen kleiner regionaler Parteien abgeholt, die nicht mit Vox zusammenarbeiten wollen. Für die Wahl zum Ministerpräsidenten bräuchte er aber neben den Vox-Stimmen zusätzlich mindestens sechs weitere. So weit ist es zwar noch nicht, aber der Tag dürfte den einen oder anderen Fingerzeig über realistische Mehrheiten im Parlament geben - oder durchscheinen lassen, ob es am Ende doch auf eine Neuwahl hinauslaufen könnte.
Erste Aufgabe der 350 Abgeordneten ist die Wahl des neunköpfigen Parlamentspräsidiums. Der geschäftsführende Ministerpräsident Pedro Sánchez schickt die frisch abgewählte ehemalige Regionalpräsidentin der Balearen, Francina Armengol, ins Rennen. Um im ersten Anlauf gewählt zu werden, bräuchte sie eine absolute Mehrheit von 176 Stimmen, im zweiten Wahlgang würde eine einfache Mehrheit ausreichen. Dafür werden wiederum die Kleinen entscheidend und entsprechend offensiv umwirbt Sánchez sie. Denn bei der ersten Machtprobe im Parlament eine linke Mehrheit zusammen zu bringen, brächte ihn einen Schritt näher in Richtung einer - wie er es nennt - "progressiven Mehrheit" mit Blick auf die Wahl zum Ministerpräsidenten.
Zugeständnisse an Regionalparteien
Vor diesem Hintergrund ist auch Sánchez' Signal vom Mittwoch an nationalistische und separatistische Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland zu betrachten, er werde während der spanischen EU-Ratspräsidentschaft die Verwendung der Ko-Amtssprachen in den EU-Institutionen fördern. Bei einem Treffen der Abgeordneten sowie Senatorinnen und Senatoren seiner Partei sagte Sánchez, die Amtssprachen seien bereits durch das Cervantes-Institut gefördert worden, fügte aber hinzu: "Wir müssen mehr tun, wir können mehr tun und wir werden mehr tun."
Eine besonders entscheidende Rolle werden die sieben Abgeordneten der separatistischen Junts-Partei aus Katalonien spielen - und ein Exil-Katalane, der einstige Regionalpräsident und Junts-Vorsitzende Carles Puigdemont. Der hatte auf der einst als Twitter bekannten Social-Media-Plattform X bereits deutlich gemacht, dass er sich der Macht seiner Kleinstfraktion bewusst ist und nachweisliche Zugeständnisse verlangt, bevor er sich in die eine oder andere Richtung festlege.
Die konstituierende Sitzung des spanischen Abgeordnetenhauses dürfte König Felipe VI. also reichlich Anschauungsmaterial für seine knifflige Entscheidungsfindung bieten. Allerdings kann er sich damit noch etwas Zeit lassen: Denn die Frist bis zu einer möglichen Neuwahl läuft erst los, wenn der vom König beauftragte Kandidat sich erstmals im Parlament zur Wahl stellt. Gibt es auch nach zwei Monaten noch keine Regierung, wird das Parlament aufgelöst und es gibt automatisch Neuwahlen.