Scholz in Serbien Die Zeit des Hinhaltens ist vorbei
Kanzler Scholz will mit "Ehrgeiz und Elan" den EU-Betritt der Westbalkan-Staaten vorantreiben. Doch schon auf seiner Visite in Serbien wurde er mit einem Arsenal von Problemen konfrontiert - und es wird nicht besser.
Es war der Moment, in dem klar wurde, wie kompliziert das mit dem Westbalkan und der Europäischen Union noch werden dürfte: In seinem Gespräch mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic hatte Bundeskanzler Olaf Scholz darauf gedrungen, dass sich Serbien - immerhin ja EU-Beitrittskandidat - doch bitte den europäischen Sanktionen gegen Russland anschließen möge. Was, wie Scholz bei der anschließenden Pressekonferenz klarstellte "am besten nicht erst erfolgt, wenn alles vorbei ist".
Woraufhin der serbische Präsident - mit samtweicher Stimme, aber in der Sache hart - wortreich zu erläutern begann, warum man diesem Wunsch nicht nachkommen werde: Jahrhunderte alt seien die Beziehungen zu Russland, Moskau unterstütze Serbien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und auch mit der Energie sei die Sache kompliziert. Serbien hängt fast vollständig von russischem Gas ab und bekommt dies von Putin zum Vorzugspreis.
Einfluss Russlands eindämmen
Die Sache mit den Sanktionen unterstreicht, wie wohl sich Serbien mit seiner "Politik der zwei Stühle" - dem russischen und dem EU-Stuhl - bislang fühlt. Und dass man in Belgrad gar nicht einsieht, sich für einen von beiden unterscheiden zu müssen. Für Deutschland ist die serbische Weigerung die Russland-Sanktionen betreffend misslich, weil sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem man in Berlin den Balkan sozusagen "wiederentdeckt" hat. Und einsieht, dass man die insgesamt sechs Westbalkan-Staaten mit EU-Ambitionen nicht dauerhaft hinhalten kann, wenn man gleichzeitig den russischen Einfluss in der Region eindämmen will.
Bundeskanzler Scholz verspricht nun auf seiner Reise, dass man von deutscher und europäischer Seite den Beitritts-Prozess mit neuem "Ehrgeiz und Elan" vorantreiben werde: "Viele Länder, die in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen zurückhaltender geschaut haben, schauen jetzt doch etwas zuversichtlicher auf den Prozess. Das wollen wir gerne weiter unterstützen."
Schwelender Konflikt mit dem Kosovo
So lautete die Botschaft von Scholz an sämtliche Balkan-Staaten. Als er das sagte, stand er gerade auf der ersten Station seiner Reise neben dem Regierungschef der Republik Kosovo, Albin Kurti. Einem Land, dessen Unabhängigkeit der Nachbar nicht anerkennt. Serbien betrachtet die Republik vielmehr als sein Territorium und wird darin von Russland unterstützt. Würde dieser Konflikt nicht weiter schwelen, wäre wohl auch längst die NATO-geführte Militärmission KFOR überflüssig.
"Guten Tag, Herr Bundeskanzler", mit diesen Worten begrüßte das derzeit etwa 65-köpfige Bundeswehr-Kontingent Olaf Scholz bei dessen Besuch. Der wiederum bescheinigte den deutschen Soldatinnen und Soldaten, wie notwendig ihr Einsatz nach wie vor sei. Was auch ein dort stationierter Oberstleutnant so sieht: "Es ist hier noch kein gesichertes Umfeld, dass wir sagen können: In einem halben Jahr oder Jahr können wir mit der KFOR rausgehen. Das ist leider noch nicht der Fall."
Musterschüler Nordmazedonien
Dass der Serbien-Kosovo-Konflikt den EU-Beitritts-Prozess entscheidend hemmt, ist keine Frage. An Tag zwei seiner Südosteuropa-Reise widmet sich Kanzler Olaf Scholz einem zweiten "Krisen-Pärchen": Nordmazedonien betrachtet sich als eine Art "Musterschüler" unter den Beitrittskandidaten, änderte extra seinen Namen, um den voranzutreiben.
Doch EU-Mitglied Bulgarien blockiert bislang die offizielle Eröffnung von Beitrittsgesprächen. Dass sich die dortige Regierung in einer schweren Krise befindet, dürfte die Dinge zusätzlich erschweren. Das komplizierte Doppelprojekt, den Westbalkan zügig an die EU heranzuführen und parallel dazu russischem Einfluss zu entwinden, wird über Nacht nicht zu realisieren sein. Wenn überhaupt.