NATO-Beitritt Kann Schweden wieder hoffen?
Rund zwei Wochen nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Erdogan reden Schweden, Finnland und die Türkei wieder über die Aufnahme Schwedens in die NATO. Ist Erdogan jetzt bereit, die Blockade aufzugeben?
Schweden habe seine Verpflichtungen gegenüber der Türkei erfüllt, findet NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Auch die schwedische Regierung ist der Meinung, dass sich das Land an die Vereinbarungen mit der Türkei gehalten habe und bald NATO-Mitglied werden sollte.
Nach einem Jahr zäher Verhandlungen könnte nach der türkischen Wahl langsam Bewegung in die Causa kommen, hoffen die Schweden. Sicher sei das aber nicht, glaubt Paul Levin, Direktor des Instituts für Türkeistudien der Universität Stockholm:
Der Druck ist groß auf Ankara, viele NATO-Länder wollen, dass Schweden bis zum NATO-Treffen in Vilnius Mitglied wird. Aber am Ende entscheidet Erdogan, und es gab in Schweden kürzlich auch wieder Demos mit wehenden PKK-Fahnen."
Kurden in Schweden besorgt
Vor knapp zwei Wochen zogen hunderte Menschen bei einer Anti-NATO-Demonstration durch Stockholm. Vor allem kurdische Gruppen in Schweden sind besorgt: Sie fürchten, Spielball in den NATO-Verhandlungen zu werden oder dies bereits zu sein.
Als Beispiel nennen sie ein neues schwedisches Antiterrorgesetz, das Anfang des Monats in Kraft getreten ist. Auch die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ist seitdem strafbar, beispielsweise dadurch, dass man Veranstaltungsorte zur Verfügung stellt oder Transportdienste übernimmt.
Unter schwedischen Juristinnen und Juristen ist das Gesetz wegen einer möglichen weitreichenden Kriminalisierung nicht unumstritten. Vefa Bedlisi, Mitorganisator der Anti-NATO-Demonstration formuliert seine Kritik noch schärfer:
Dieses Gesetz ist kein Gesetz der schwedischen Gesellschaft, sondern es ist ein Erdogan-Gesetz. Die Schweden wurden gezwungen, diesen Beschluss zu fassen. Es ist nicht die Idee des schwedischen Volks, sondern alles hängt mit dem NATO-Prozess zusammen.
Vorwürfe und Erklärungen
Schweden unternehme nicht genug gegen Terroristen, lautet einer der immer wiederkehrenden Vorwürfe aus Ankara. Die schwedische Regierung hält dagegen, dass man die Forderungen der Türkei längst erfüllt habe: Das neue Antiterrorgesetz sei ein Beispiel, auch wenn das Gesetz schon seit Jahren in Planung war.
Außerdem prüften schwedische Gerichte Auslieferungsgesuche der Türkei im Rahmen bestehender Gesetze, heißt es in Schweden. Angeblich sollen 130 Namen auf einer Liste Erdogans stehen.
Ein Urteil und seine späten Folgen
Seit dem NATO-Beitrittsgesuch sind nach Angaben des Justizministeriums zwei türkische Staatsbürger auf Begehren der Türkei ausgeliefert worden. Ein dritter Fall wurde am Montag bekannt: Ein Mann, der 2014 in der Türkei wegen eines Drogendelikts verurteilt wurde, kann ausgeliefert werden.
Levin sagt, er halte Auslieferungen in die Türkei wegen der mangelnden Rechtssicherheit grundsätzlich für nicht unproblematisch.
Man kann die Entscheidung des Gerichts verstehen, da der Mann wegen eines Drogendeliktes verurteilt wurde. Gleichzeitig kann man auch den Verteidiger verstehen, der fragt, warum sein Mandant nach vielen Jahren ausgerechnet jetzt ausgeliefert werden soll."
Erste Auslieferung eines PKK-Anhängers?
Brisant ist, dass der Mann angibt, Kurde und Unterstützer der syrischen Kurdenmiliz YPG sowie der verbotenen türkischen PKK zu sein. Das Gericht hält dagegen, dass der Mann seine angeblichen politischen Überzeugungen erst spät bekannt gemacht habe.
Laut dem schwedischen Fernsehsender SVT könnte es sich bei diesem Fall um die erste Auslieferung eines möglichen PKK-Anhängers handeln. Regierungsnahe türkische Medien sehen in dem Mann gar keinen PKK-Terroristen, sondern nur den Versuch Schwedens, die Türkei zum Einlenken zu bewegen.
Ein Fall mit einigen Fragezeichen also. Sicherlich wird er bei dem heutigen Treffen auf Arbeitsebene zwischen Schweden, Finnland und der Türkei eine Rolle spielen.