Antiterrorgesetz tritt in Kraft "Die Kurden in Schweden haben Angst"
Schweden wartet seit mehr als einem Jahr auf die Zustimmung Ungarns und der Türkei zum NATO-Beitritt. Heute tritt in dem skandinavischen Land ein neues Antiterrorgesetz in Kraft, das die Regierung in Ankara umstimmen soll.
Ab sofort ist in Schweden die Unterstützung, Organisation und die Finanzierung einer terroristischen Vereinigung strafbar.
Oder etwas praktischer ausgedrückt: Wer Transportdienste für solche Vereinigungen übernimmt oder die Verpflegung bei ihren Veranstaltungen, könnte gegen das Gesetz verstoßen, so der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer.
Wichtiger Schritt auf dem Weg in die NATO?
Für ihn und seinen konservativen Parteifreund, den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson, ist das Gesetz ein wichtiger, finaler Schritt auf dem langen, beschwerlichen Weg in die NATO. Denn seit Monaten heißt es aus der Türkei, man werde dem Beitritt nur zustimmen, wenn Schweden aktiver gegen angebliche Terroristen vorgehe.
Mit dem neuen Gesetz erfülle man den letzten Teil der Vereinbarung zwischen Schweden und der Türkei, so Kristersson: "Das hatten wir unseren türkischen Freunden zugesagt. Wir erkennen an, dass sie gute Gründe dafür hatten, besorgt darüber zu sein, wie andere Länder ihnen dabei helfen, sich selbst zu schützen."
PKK auch aus Schweden finanziert
Anfang des Jahres hatte der schwedische Nachrichtendienst SÄPO bekannt gegeben, dass die als Terrororganisation eingestufte PKK aus Schweden mitfinanziert werde. In welchem Umfang und wie viele Sympathisanten es in Schweden geben soll, ist unklar. Dazu gab es seitens des Nachrichtendienstes keine Angaben.
Das neue Antiterrorgesetz solle nun dazu führen, dass der Staat besser durchgreifen kann, so die Regierung. Im schlimmsten Fall drohen Verurteilten mehrere Jahre Haft.
Angst vor Auslieferung
Doch seit Monaten wird das Gesetz immer wieder kritisiert: Kurden wie der Journalist Kurdo Baksi fürchten, künftig auch in Schweden nicht mehr frei sprechen zu können. Seit dem NATO-Beitrittsgesuch und dem Konflikt mit der Türkei hätten Kurden in Schweden Angst.
"Erdogan redet ständig von einer Auslieferungsliste", sagt Baksi. "Erst waren es 33 Personen, dann 42, und jetzt spricht er wie ein Basarhändler in Istanbul von 100 bis 130 Menschen, die Schweden ausliefern soll."
Kritik am Gesetz
Nicht nur Kurdinnen und Kurden sind besorgt. Auch der schwedische Legislativrat hatte bereits den Entwurf des Gesetzes scharf kritisiert. Dieses Gremium besteht aus Juristinnen und Juristen und prüft im Auftrag der Regierung geplante Gesetze oder deren Änderungen.
Die Mitglieder des Legislativrats hatten empfohlen, das neue Antiterrorgesetz in seiner jetzigen Form nicht zu beschließen. Sie fürchten, dass das Gesetz zu einer weitreichenden Kriminalisierung führen könnte. Außerdem gäbe es in Schweden bereits umfangreiche Anti-Terror-Gesetze.
Auch der Anwalt Mikael Westerlund kritisiert das Gesetz. Seine kurdischen Mandanten seien höchst verunsichert. Er sieht die "klassische Solidaritätsarbeit" in Schweden in Gefahr, also unterdrückte Menschen zu unterstützen oder für sie Gelder einzusammeln.
Mitglied schon im Juli?
Westerlund befürchtet, dass es nun schnell Präzedenzfälle geben könnte. "Es wird darum gehen, vor dem NATO-Gipfel in Vilnius zu zeigen, dass das Gesetz einen Effekt hat."
Bei diesem jährlich stattfindenden NATO-Treffen will die schwedische Regierung im Juli als 32. Mitglied des Verteidigungsbündnisses am Tisch sitzen und nicht nur als Gast dabei sein.