Angriff auf Kiew Schüsse, Kämpfe, Detonationen
In der Nacht wurden vom Stadtrand Kiews Explosionen und Schüsse gemeldet. Noch ist das Ausmaß unklar. Ukraines Präsident Selenskyj hatte zuvor vor einem Sturm auf die Hauptstadt gewarnt.
Vom Stadtrand der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind in der Nacht zum Samstag Schüsse und Kämpfe gemeldet worden. Russische Truppen beschossen demnach eine Kaserne der ukrainischen Streitkräfte im Westen von Kiew. Das teilte die ukrainische Armee mit. Der Angriff sei zurückgeschlagen worden. Die Kaserne liegt etwa sieben Kilometer vom Zentrum der Millionenstadt entfernt.
Fotos zeigten hellen Feuerschein über der Stelle der Kämpfe. Auf Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, waren Explosionen und Schüsse zu hören.
Russische Truppen versuchten zudem, das Heizkraftwerk Nr. 6 anzugreifen, teilte ein Amt für Behördenkommunikation mit. Die ukrainische Armee verteidige sich. Das Kraftwerk liegt im äußersten Nordosten der Millionenstadt auf dem rechten Ufer des Flusses Dnipro.
Auch von anderen Stellen auf dem rechten Ufer gab es Berichte über Explosionen und Schüsse aus automatischen Waffen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Vom Zentrum Kiews aus sei Artilleriebeschuss zu hören, meldet Reuters. Die Einschläge befinden sich nach Angaben einer Reuters-Reporterin in einiger Entfernung vom Zentrum.
Bevölkerung vor Straßenkämpfen gewarnt
Die Behörden warnten die Bevölkerung vor Straßenkämpfen. "Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!", hieß es in der Mitteilung. Wer in einem Bunker sei, solle dort bleiben. Im Fall von Luftalarm sollten die Menschen den nächsten Bunker aufsuchen.
Zu Hause sollten die Menschen nicht ans Fenster oder auf Balkone gehen und sich abdecken, um sich vor Verletzungen zu schützen.
"Verbrennt die feindliche Militärtechnik"
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor gewarnt, dass russische Truppen in der Nacht einen Sturm auf die Hauptstadt versuchen wollten. Er rief die Bewohner auf, die Stadt zu verteidigen.
"Der Feind wird alle seine Kräfte einsetzen, um unseren Widerstand zu brechen", sagte Selenskyj. Die Bevölkerung sollte alle Markierungen entfernen, die Saboteure an Straßen und Häusern anbringen. "Verbrennt die feindliche Militärtechnik mit allem, was zur Verfügung steht!"
Am Morgen meldete er sich erneut per Video aus Kiew. Er wünsche «allen einen guten Morgen», sagte er mit einem Lächeln. Er wolle Falschnachrichten widerlegen, wonach er das Land verlassen habe: "Ich bin hier." Das Land müsse verteidigt werden: "Ruhm der Ukraine!"
Russen wollen offenbar Flugplatz südlich von Kiew erobern
Heftige Kämpfe gab es den Angaben nach auch bei dem Ort Wassylkiw etwa 40 Kilometer südlich von Kiew. Dort gibt es einen Luftwaffenstützpunkt, den russische Truppen dem Anschein nach mit Fallschirmjägern erobern wollten.
Die ukrainischen Streitkräfte nahmen für sich in Anspruch, dabei ein russisches Militärtransportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 abgeschossen zu haben. An Bord seien Fallschirmjäger gewesen, schrieb der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj auf Twitter.
Russen melden Eroberung von Großstadt
Im Südosten des Landes eroberten russische Truppen laut Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau die Großstadt Melitopol. Die Stadt liegt in der Nähe des Asowschen Meeres zwischen der von Russland annektierten Halbinsel Krim und den Separatistengebieten der Ostukraine. Auch um Mariupol, das an diese Gebiete grenzt, wird gekämpft.
Im Südwesten rückten die russischen Truppen in Richtung Odessa vor. Die Hafenmetropole ist die drittgrößte Stadt des Landes.
Separatisten-Kämpfer aus der ostukrainischen Region Luhansk rückten laut russischen Angaben bislang etwa 30 Kilometer in bislang von ukrainischen Regierungstruppen kontrolliertes Gebiet vor. Donezker Kämpfer hätten mit russischer Unterstützung weitere Geländegewinne über sechs Kilometer erzielen können. Am Freitagabend hatte es geheißen, die Aufständischen seien dort 25 Kilometer weiter in ukrainisches kontrolliertes Gebiet vorgedrungen.
Russland setze laut eigenen Angaben insgesamt mehr als 800 ukrainische Militärobjekte "außer Gefecht": 14 Militärflugplätze, 19 Kommandoposten, 24 Flugabwehr-Raketensysteme vom Typ S-300 und 48 Radarstationen. Zudem seien acht Marine-Boote der Ukraine getroffen worden.
Die ukrainischen Streitkräfte töteten bislang laut eigenen Angaben 3500 russische Soldaten und nahmen 200 gefangen. Zudem seien 14 Flugzeuge, acht Hubschrauber, 102 Panzer und mehr als 530 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden.
Viele Menschen fliehen
Aus der Ukraine sind innerhalb von 48 Stunden mehr als 50.000 Menschen über die Grenzen ins Ausland geflüchtet. Das berichtete der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, auf Twitter.
Zuvor hatten bereits die UN von Hunderttausenden auf der Flucht gesprochen.