Putin spricht bei Parade Eine Rede voller Vorwürfe an den Westen
Schuld am Einmarsch in der Ukraine ist der Westen - das betonte Russlands Präsident Putin bei seiner Rede zum "Tag des Sieges" in Moskau. Eine Generalmobilmachung verkündete er, anders als befürchtet, nicht.
Den historischen Bogen schlug Wladimir Putin direkt zu Beginn seiner Rede. Die Verteidigung des Heimatlandes sei schon immer heilig gewesen, erklärte er in Anwesenheit Hunderter Weltkriegsveteranen auf dem Roten Platz:
Sie kämpften gegen den Feind bei Moskau und Leningrad, Kiew und Minsk, Stalingrad und Kursk, Sewastopol und Charkiw. So ist es auch heute: Sie kämpfen in diesen Tagen für unser Volk im Donbas, für die Sicherheit unserer Heimat Russland.
"Spezialoperation", um Grenzen zu schützen
Es sei eine Pflicht, die Erinnerung an diejenigen zu bewahren, die den Nationalsozialismus niedergeschlagen haben und man werde, beteuerte Putin, ihnen immer nacheifern. Dass es bei der sogenannten "Spezialoperation in der Ukraine" aus Kreml-Sicht nicht nur um die Wahrnehmung einer historischen Verantwortung geht, sondern allem voran um den Schutz der eigenen Grenzen - auch daran ließ der russische Präsident erneut keinen Zweifel. Ebenso wenig daran, wer die Schuld für die aktuelle Situation trage:
Im Dezember vergangenen Jahres haben wir vorgeschlagen, ein Abkommen über Sicherheitsgarantien abzuschließen. Russland rief den Westen zu einem ehrlichen Dialog auf, zur Suche nach vernünftigen Kompromisslösungen, zur Berücksichtigung der Interessen des anderen. Alles war vergebens. Die NATO-Staaten wollten uns nicht anhören.
Stattdessen hätten sie die Lage gemeinsam mit der Ukraine immer weiter eskaliert. Sie hätten, erklärt Putin, das Land militärisch aufgerüstet und Angriffe auf die Regionen im Donbass sowie auf die Halbinsel Krim geplant. "Die Gefahr wuchs jeden Tag. Russland erteilte dem Angreifer eine präventive Abfuhr. Es war eine erzwungene, rechtzeitige Entscheidung - die einzig richtige. Die Entscheidung eines souveränen, starken, unabhängigen Landes."
Damit fasste Putin im Grunde lediglich einmal mehr die Argumentationslinien zusammen, mit denen er bereits Ende Februar seinen Befehl zum Einmarsch in die Ukraine gerechtfertigt hatte.
Keine offizielle Kriegserklärung
Im Vorfeld der heutigen Siegesfeier hatte es Spekulationen darüber gegeben, ob Putin seine Ansprache dazu nutzen könnte, eine General- oder zumindest Teilmobilmachung zu verkünden. Dem hätte allerdings eine offizielle Kriegserklärung vorangehen müssen. Die kam aber nicht. Stattdessen gab er das Versprechen, die Familien der in der Ukraine gestorbenen oder verletzten Soldaten besonders zu unterstützen. Ein entsprechendes Dekret wurde bereits am Morgen unterzeichnet.
Bei der anschließenden Parade, bei der unter anderem Panzer und Mehrfachraketenwerfer über den Roten Platz rollten, waren auch Soldaten vertreten, die an der sogenannten "militärischen Spezialoperation" beteiligt sind. Die geplante Flugshow wurde mit Verweis auf schlechtes Wetter abgesagt.
Zehntausende Schaulustige bei Parade
Die Straßen Moskaus waren unterdessen wieder gesäumt von Zehntausenden Schaulustigen. "Der Tag des Sieges ist der Hauptfeiertag unseres Landes", erklärte die 64-jährige Ljudmila, die den vorbeifahrenden Militärfahrzeugen vom Straßenrand aus zuschaute. Die Parade wecke in ihr ein Gefühl der Stärke, sagte sie.
Der Blick auf die aktuelle Situation in der Ukraine, so Ljudmila, sei jedoch sehr schmerzhaft. "Es ist sehr schade, dass es so weit gekommen ist. Wir alle waren gleich. Ich habe in der Ukraine studiert, dann 40 Jahre in Russland gearbeitet. Schade ist überhaupt, dass die Sowjetunion zusammengebrochen ist", erzählt sie.