Russische Luftfahrtbehörde Prigoschin soll bei Absturz gestorben sein
Söldner-Chef Prigoschin war laut der russischen Luftfahrtbehörde an Bord des Flugzeugs, das in der Region Twer abstürzte. Auch die Nummer zwei der Wagner-Gruppe, Utkin, soll dabei gewesen sein. Alle zehn Insassen seien tot, so der russische Zivilschutz.
Wenige Stunden nach einem Flugzeugabsturz in der russischen Region Twer hat die Luftfahrtbehörde des Landes offiziell bestätigt, dass sich auch der Chef der Söldnergruppe Wagner an Bord der Maschine befunden habe. Auch dessen Stellvertreter und Mitbegründer der Wagner-Gruppe, Dmitri Utkin, habe zu den Passagieren gezählt. Zuvor hatte die Luftfahrtbehörde lediglich von zehn Passagieren an Bord gesprochen: sieben Fluggäste und drei Crewmitglieder. Vermutlich habe keiner der Insassen den Absturz überlebt.
Ein Sprecher der von Moskau eingesetzten Verwaltung in der ukrainischen Region Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, auch ihm sei von Wagner-Leuten versichert worden, dass Prigoschin und dessen enger Vertrauter Dmitri Utkin an Bord gewesen seien, als die Maschine abstürzte.
Luftfahrtbehörde leitete bereits Untersuchungen ein
Schnell war bekannt geworden, dass Prigoschins Name auf der Passagierliste für den Flug mit dem Privatjet stand. Als erstes hatte dann der Telegram-Kanal "Grey Zone" verbreitet, Prigoschin sei bei dem Absturz gestorben. Über den Kanal verbreiten die Wagner-Gruppe und in der Vergangenheit auch Prigoschin selbst Nachrichten. In dem Post wurde Prigoschin als "wahrer Patriot" Russlands bezeichnet, der durch die Hand von "Verrätern" getötet worden sei.
Laut der Nachrichtenagentur Tass befand sich das Flugzeug vom Typ "Embraer Legacy" auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg - der Heimatstadt von Prigoschin und dem Sitz der Zentrale der Wagner-Gruppe. Wenige Minuten nach dem Start des Flugzeugs soll der Kontakt zu der Besatzung abgebrochen sein. In der Region Twer nahe des Ortes Kuschenkino sei die Maschine abgestürzt. Laut Luftfahrtbehörde wurden bereits Untersuchungen rund um den Absturz eingeleitet.
Man habe nun alle zehn Namen gesehen, sagte ARD-Korrespondentin Ina Ruck im Gespräch mit den tagesthemen mit Blick auf die von Russland veröffentlichte Liste. "Das gilt vielen als Bestätigung, dass Prigoschin an Bord war. Aber eine wirkliche Bestätigung, dass er da ums Leben gekommen ist, haben wir nach wie vor nicht."
Es soll eine Explosion an Bord gegeben und die Leichen sehr stark verbrannt sein, so Ruck weiter. Es werde sicherlich noch dauern, bis es eine Identifizierung geben könne. Die Spekulationen würden parallel weiter ins Kraut schießen - so gebe es etwa Gerüchte über ein inszeniertes Verschwinden Prigoschins. Aus Kreisen der Wagner-Gruppe werde der Vorwurf erhoben, es habe sich um einen Anschlag gehandelt, "ausgeübt von Verrätern Russlands".
ARD-Korrespondent Vassili Golod sagte, in Kiew sei die Nachricht über den Flugzeugabsturz mit Interesse, aber auch mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Das liege vor allem daran, dass es noch immer viele ungeklärte Details und Fragezeichen gebe, aber auch daran, dass Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine immer wieder bewusst Lügen und Falschinformationen einsetzte und Nachrichten aus Moskau deshalb ganz grundsätzlich mit einer gehörigen Portion Skepsis aufgenommen werden.
Zuvor hatte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf der ehemals als Twitter bekannten Plattform X allerdings von einer "demonstrativen Beseitigung" des Wagner-Kommandos gesprochen.
US-Präsident Biden zu Absturz gebrieft
Aus dem Weißen Haus hieß es derweil, US-Präsident Joe Biden werde über die Meldungen zu dem Absturz auf dem Laufenden gehalten. Vor der Information, dass Prigoschin sich in dem Flugzeug befunden habe, zitierte Reuters Biden mit den Worten, dass Prigoschins Tod ihn nicht überraschen würde. Und der US-Präsident soll demnach hinzugefügt haben, in Russland geschehe wenig, hinter dem nicht der russische Präsident Wladimir Putin stehe.
Aufnahmen sollen Prigoschin bei Afrika-Einsatz gezeigt haben
Zuletzt war im Internet ein Video von Söldner-Anführer Prigoschin aufgetaucht, das ihn seinen eigenen Worten zufolge in Afrika zeigen soll, wo er und seine Kämpfer an einem Aufklärungseinsatz beteiligt seien. Auch die Authentizität dieser Aufnahmen konnte nicht unabhängig überprüft werden. Die Söldner sind in mehreren afrikanischen Ländern wie Mali aktiv.
Prigoschin rief Kämpfer zum Aufstand auf
Zuvor hatte die Wagner-Truppe an der Seite des russischen Militärs im Krieg gegen die Ukraine gekämpft und war unter anderem entscheidend an der Eroberung der heftig umkämpften Stadt Bachmut beteiligt.
Ende Juni rief Prigoschin zum Aufstand gegen die russische Militärführung auf, nachdem er dieser wiederholt in immer schärferem Ton Versagen vorgeworfen hatte. Ausdrücklich habe sich die Rebellion seiner Truppen, die über die russisch-ukrainische Grenze nach Russland einmarschierten und dort unter anderem die südrussische Millionenstadt Rostow besetzten, nicht gegen Putin gerichtet, so Prigoschin. Er gab damals an, seine Kämpfer seien bis auf 200 Kilometer an Moskau herangerückt, bevor der Wagner-Chef selbst das Ende des Aufstandes ausrief.
Prigoschin ging anschließend ins Exil nach Belarus, angeblich basierend auf einer Vereinbarung zwischen ihm und dem Kreml. Bereits Anfang Juli tauchten jedoch erste Meldungen auf, der Wagner-Chef und einst enge Vertraute von Putin sei nach Sankt Petersburg zurückgekehrt.
Vom Gefängnis zum Geschäftsmann
Noch zu Sowjetzeiten verbrachte Prigoschin wegen Raubes, Betrugs und weiterer Delikte neun Jahre im Gefängnis. In den 1990er-Jahren folgte eine Karriere als Restaurantbesitzer und Caterer in St. Petersburg. Zu den Gästen seines Restaurants zählte auch Putin, als Caterer belieferte Prigoschin auch staatliche Einrichtungen - was ihm letztlich den Spitznamen "Putins Koch" einbrachte. Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten.
Ab dem Jahr 2012 soll Prigoschin an der Gründung der Wagner-Gruppe beteiligt gewesen sein. Lange stritt er allerdings ab, mit den Söldner-Truppen in Verbindung zu stehen. Wer ihn mit der Söldnerfirma Wagner und deren Einsätzen in Afrika, Syrien und dem Donbass in Verbindung brachte, den verklagte er. Auch die russische Staatsführung dementierte lange Zeit, dass Wagner-Kämpfer für sie im Einsatz seien. Erst Ende September 2022 bekannte sich Prigoschin dazu, Wagner gegründet zu haben, um Söldner in den Donbass und in arabische Staaten, nach Afrika und Lateinamerika zu schicken. Diese "Jungs" seien zu einer "Säule des Vaterlands" geworden.