Sicherheitsdiskussion in Frankreich "Das beunruhigt mich schon"
Am Samstag hat ein mutmaßlich islamistischer Attentäter auf offener Straße mitten in Paris Touristen angegriffen und einen Deutschen getötet. Seitdem ist in Frankreich eine innenpolitische Debatte über Sicherheit entflammt.
Vier Messerstiche und zwei Hammerschläge und ein Leben war ausgelöscht, das eines 23-jährigen deutsch-philippinischen Krankenpflegers. Am Tatort hängen an einem Absperrzaun gelbe Rosen und rote Gerbera. Der Eiffelturm in Sichtweite.
Der mutmaßliche Attentäter hat einen Touristen getötet. Und die Touristen haben reagiert. Einige sagen, mit der Terrorgefahr müsse man leben, andere gehen abends nicht mehr aus und manch einer ist radikal und will nie wieder kommen.
Xavier hat ein Restaurant in dem Viertel, das Endpunkt der olympischen Eröffnungszeremonie auf der Seine sein wird. Durch den Anschlag kamen am Sonntag weniger Gäste - und in rund acht Monaten zu den Spielen?
"Dann werden viele Leute kommen und dann kann auch viel passieren. Ist die Sicherheit nicht garantiert, wird es schwierig. Das beunruhigt mich schon", sagt Xavier. Er ist wegen der Terrorgefahr besorgt, wie Umfragen zufolge über 80 Prozent seiner Landsleute.
Problem mit Kontrollen nach Haftstrafen
Zu Olympia werde es Sicherheitszonen geben, aber keinen Plan B für die Eröffnung, sagt Innenminister Darmanin. Live in die TF1-Abendnachrichten geeilt, äußert er sich zum 26-jährigen Täter. Ja, Frankreich habe ein Problem mit Kontrollen nach Haftstrafen, wie auch er sie wegen Anschlagsplänen bis 2020 verbüßt habe.
Freigelassen nahm der mutmaßliche Täter Kontakt zum späteren islamistischen Mörder des Lehrers Samuel Paty auf, wurde wieder verstärkt kontrolliert und weiter psychiatrisch betreut. Bis Ende April 2023 - bis zu einem positiven Gutachten.
Der Minister wurde deutlich: "Man muss sicher ändern - und das haben wir im Krisenstab mit der Premierministerin besprochen - dass Behörden, Präfekt oder Polizei eine Therapie anordnen können. Das ist heute so nicht möglich. Eine Konsequenz aus dem Geschehenen ist eine Pflicht zu psychiatrischen Behandlung."
Neues Einwanderungsgesetz geplant
Scharf reagierte er auf Vorwürfe des extrem rechten Rassemblement National, die Sicherheits- und Einwanderungslage sei außer Kontrolle. Darmanin schrieb vielmehr RN-Fraktionschefin Marine Le Pen ins Pflichtenheft: "Als ich 2021 mit dem Justizminister ein Antiterrorgesetz vorgelegt habe, das eine sehr lange Kontrolle für entlassene Häftlinge vorsah, hat Madame Le Pen es nicht mit abgestimmt. Sie will lieber von den Problemen leben."
Nun komme ein neues Einwanderungsgesetz, um kriminelle Ausländer besser ausweisen zu können. Wer im Parlament nicht dafür stimme, so Darmanin, lade eine enorme Verantwortung auf sich, wenn solch ein radikalisierter Täter zuschlage.
Der mutmaßliche Attentäter vom Eiffelturm ist allerdings in Frankreich geboren und Franzose. Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-Francois Ricard ging Sonntagabend vor die Presse und erklärte zum Motiv des Täters, der mit 18 Jahren zum Islam konvertiert sei.
"In einem Video bekennt er sich zum Islamischen Staat. Er hat es auf seinem Konto bei X veröffentlicht, wo sich auch viel Material über die Hamas, Gaza und Palästina befindet. Er hat das Konto Anfang Oktober eingerichtet", so Ricard.
Mutter meldete sich vor Tat bei Polizei
Er wollte ums Leben gekommene Muslims rächen und selbst als Märtyrer sterben. Inzwischen sind seine nicht religiösen, vor 30 Jahren aus dem Iran eingewanderten Eltern auch in Polizeigewahrsam.
"Ende Oktober 2023 hat die Mutter des Aggressors ihre Besorgnis gemeldet. Ihr Sohn würde sich von der Außenwelt zurückziehen", so Staatsanwalt Ricard. "Es gab aber keinen Anhaltspunkt, der eine erneute strafrechtliche Verfolgung ermöglicht hätte."
Fragen ließ Ricard nicht zu. Doch die stellt man sich in Frankreich: Haben die Behörden versagt? Hat Frankreich die Mittel, um sich zu schützen? Und auf dem Titelblatt der Zeitung "Le Parisien" liest man an diesem Montagmorgen: War die Terrorattacke vermeidbar?