Österreich vor der Wahl Wo die FPÖ seit Jahren normal ist
Am Sonntag sind Wahlen in Österreich - und die rechtsnationale FPÖ führt in allen Umfragen. Parteichef Kickl könnte erster FPÖ-Kanzler werden. In der Stadt Wels ist eine FPÖ-Regierung seit Jahren Normalität.
Wer nach Wels in Oberösterreich kommt, sieht schnell, dass es der Stadt gut geht. Vorbildlich restaurierte Häuser am Stadtplatz. Niedrige Parkgebühren. Das Rathaus ein prächtiges Barockpalais. Hier residiert seit 2015 Andreas Rabl von der rechtsnationalen FPÖ als Bürgermeister. Zweimal wurde er schon gewählt. Bei einem Rundgang über die Plätze und die Fußgängerzone zeigt sich, wo seine FPÖ-Handschrift sichtbar ist.
Was auffällt, sind mehrere Überwachungskameras. Für den Bürgermeister sind sie ein zentrales Element seiner Politik, denn Wels soll sicher sein. Rabl betont die Vorzüge: "Hat extrem gute generalpräventive Wirkung. Und das hat zu einer massiven Steigerung auch des subjektiven Sicherheitsgefühls geführt." Zwei Straßen weiter wurde eine neue Polizeistation eröffnet. Die Stadt stellte das Gebäude günstig zur Verfügung.
Zu Rabls Verständnis gehört außerdem Sauberkeit in der 65.000-Einwohner-Stadt. In Wels soll es keine Schmuddelecken geben. Der Leerstand wurde dank eines effektiven Stadtmanagements deutlich reduziert.
Bürgermeister Andreas Rabl setzt auf "Law and Order".
"Nicht nur Recht, sondern auch Pflichten"
Und von Migranten erwartet der Bürgermeister, dass sie sich schnell integrieren. "Law and Order" - ein Grundgedanke in Rabls Integrationspolitik. "Jemand, der hierherkommt und hier Gast ist, der muss sich anpassen, der muss die Sprache lernen, damit er Teil dieser Gesellschaft werden kann. Auch das ist mir wichtig", sagt Rabl und ergänzt: "Das leben wir im Bildungsbereich genauso wie im Sozialbereich. Weil wir meinen: Integration ist nicht nur Recht, sondern auch Pflichten. Und diese Pflichten muss man auch sanktionieren, wenn sie nicht erfüllt werden."
Für seine Kritiker ist das FPÖ-Propaganda. Die wirtschaftlich prosperierende Stadt Wels ist auf Menschen aus anderen Kulturkreisen angewiesen. Die etwa 4.000 ansässigen Unternehmen brauchen den Zuzug von Arbeitskräften.
Vorwurf, sich nur moderat zu geben
Johann Reindl-Schwaighofer und Christian Stöbich stehen in Opposition zum Bürgermeister. Sie sind im Wohnviertel Noitzmühle unterwegs, einem Stadtteil, der wegen der vielen Migranten als sozialer Brennpunkt gilt. Für Stöbich von der Welser Initiative gegen Faschismus geben sich der Bürgermeister und seine FPÖ nur moderat. "Die FPÖ kann sich mittlerweile als Stadtregierungs-Dominator sozusagen zurücklehnen, moderater geben, beruhigen und diese Eskalation der Ängste rausnehmen, die sie vorher verursacht haben."
Reindl-Schwaighofer ist Stadtrat der sozialdemokratischen SPÖ. Er sieht, dass viele Ankündigungen des Bürgermeisters gar nicht umgesetzt wurden. So etwa die Vergabe von Wohnungen nur noch an Migranten, die Deutsch sprächen. Das sei gar nicht möglich gewesen.
Reindl-Schwaighofer unterstellt aber dem FPÖ-Bürgermeister, zwischen politisch guten und politisch schlechten Ausländern zu trennen. "Da gibt es dann schon ein paar Gruppen, da bemüht er sich recht drum. Und da ist auch alles in Butter. Das sind aber genau die Leute, die den Vorstellungen entsprechen, die alle arbeiten gehen, wo die Kinder in die Schule gehen, studieren und was sonst auch immer", sagt der SPÖ-Stadtrat.
Bundes-FPÖ will "absoluten Zuwanderungsstopp"
Jetzt, im laufenden Wahlkampf um die Nationalratswahl am kommenden Sonntag, bedient die Bundes-FPÖ wieder die Erzählung von zu vielen Ausländern. In ihrem Wahlprogramm fordern die Rechtsnationalen eine "Festung Österreich" und einen absoluten Zuwanderungsstopp. So, wie es Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban macht.
Bei der Präsentation des Wahlprogramms im August trug Parteichef und Spitzenkandidat Herbert Kickl seine Migrationspolitik vor: "Die Mindestsicherung nur mehr für unsere Staatsbürger. Das ist ein Heimvorteil. Ich bekenne mich dazu. Keine Asylanträge in Österreich. Wir sind von sicheren Ländern umgeben. Wer die Völkerwanderung stoppt, der stoppt damit auch den Import des Islamismus."
Kommt der erste FPÖ-Kanzler?
Kickl kommt damit an, und er kann sich Hoffnungen machen, erster FPÖ-Kanzler zu werden. Seit Monaten führt die FPÖ die Umfragen an. Kickls Versprechen an die Wähler: Ich will euer Volkskanzler sein.
Beim Wahlkampfauftakt in Graz Anfang September gab er sich siegessicher und rief seinen Anhängern zu: "Spannen wir gemeinsam den rot-weiß-roten Bogen und nehmen wir gemeinsam unser Ziel ins Visier. Und dann schießen wir den blauen Pfeil der Freiheit ab. Dieser blaue Pfeil der Freiheit, der wird am 29. September aber mitten ins Schwarze hineintreffen."
Sollte Kickl gewinnen und die FPÖ demnächst mitregieren, wäre es nicht das erste Mal, dass die rechtsnationale Partei auf Bundesebene in Regierungsverantwortung kommt. Seit ihr damaliger Vorsitzender Jörg Haider im Jahr 2000 mit der konservativen ÖVP eine Koalition bildete, gilt die FPÖ als wählbar.
Später folgte das Gespann aus ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und seinem Koalitionspartner, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Inzwischen sitzt die FPÖ zudem in drei Landesregierungen: in Oberösterreich, in Niederösterreich und seit April 2023 auch in Salzburg.
Sorge vor NS-Verharmlosung
Bei seinem Rundgang durch Wels wird Bürgermeister Rabl mehrmals von Fans aufgehalten. Rabl gibt sich bürgernah. Jugendliche wollen ein Selfie. Eine ältere Frau umarmt ihn, weil er bei der Wohnungssuche geholfen habe. Und FPÖ-Anhänger wünschen sich und ihm viel Erfolg bei der Nationalratswahl. "Halt die Daumen, dass Blau gewinnt. Das brauchen wir für Österreich", rufen sie ihm zu.
Seinen Kritikern ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass die FPÖ bald mehr Einfluss in Österreich haben könnte. Sie sehen eine Gefahr für die Demokratie und befürchten auch einen verharmlosenden Umgang mit der NS-Vergangenheit.
Johann Reindl-Schwaighofer und Christian Stöbich verweisen darauf, dass mitten in der Stadt die Kopie einer römischen Statue stehe, die die Nazis gerne als Miniatur verschenkt hatten. Und dass immer noch Straßen nach NS-Funktionären benannt seien, wie die Kuhnstraße. In Wels wird damit Richard Kuhn geehrt, der für Hitlers Angriffskrieg das Giftgas Soman entwickelt habe.