Überraschende Rücktritte "Minister-Beben" in Österreich
Die österreichischen Ministerinnen Köstinger und Schramböck haben überraschend ihren Rücktritt erklärt - nur wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag, auf dem ein Neubeginn inszeniert werden soll. Was ist da los?
"Minister-Beben", "ÖVP im Umbruch", "Polit-Knaller", "System Kurz am Ende?": Österreichs Medien verzeichnen heftige Ausschläge auf dem innenpolitischen Seismographen. Kein Wunder: Mit Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck ziehen zwei Ministerinnen der Volkspartei die politische Reißleine; wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag am kommenden Samstag, auf dem ein Neubeginn inszeniert werden soll - sozusagen eine von türkis wieder auf das traditionelle schwarz umgefärbte Volkspartei, ohne Sebastian Kurz.
Die beiden Politikerinnen waren mit dem Ex-Bundeskanzler und Ex-Parteichef steil aufgestiegen, und seit dessen abruptem Abgang von der politischen Bühne im vergangenen Herbst war es um die Zukunft der beiden Ministerinnen alles andere als gut bestellt. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann sie ihre Posten räumen würden, hieß es seitdem.
Enge Vertraute von Ex-Kanzler Kurz
Am Montagvormittag ging Landwirtschafts- und Tourismus-Ministerin Elisabeth Köstinger, die als enge Vertraute von Sebastian Kurz galt, mit einer persönlichen Erklärung vor die Kameras. Es sei eine große Ehre gewesen, dem Land dienen zu können. Vieles sei erreicht worden. Worte, die bei Rücktritten stets verwandt werden. Sie ließ jedoch mit einer eher grundsätzlichen Bemerkung, dass Frauen in der Politik oft sehr hart und unfair beurteilt würden, was sie selbst erfahren habe, erkennen: 13 Jahren Politik dürften bei ihr Spuren hinterlassen haben.
Köstinger werde, so meinen Österreichs Medien zu wissen, einen Job in der Wirtschaft antreten. Zuspruch kam von ihrem ehemaligen Chef: "Liebe Elli Köstinger", twitterte der bereits in die Privatwirtschaft gewechselte Kurz, "Du hast tagtäglich für die Werte und Überzeugungen der Volkspartei gekämpft".
Wenige Stunden später dann, per aufgezeichneter Video-Botschaft, verkündete Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck ihren Rücktritt. Die ehemalige Managerin sagte, sie könne sich gut an den Moment erinnern, "an dem Sebastian Kurz angerufen und gefragt hat", ob sie das Ressort übernehmen wolle. Und, wenig überraschend bei Polit-Abschieden: "Ich habe diesen Schritt nie bereut."
"Ich habe diesen Schritt nie bereut": Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck verkündet in einem Video ihren Rücktritt.
Das Personaltableau der ÖVP wird immer dünner
Das Personaltableau der Volkspartei wird dünn und dünner. Bereits Anfang Dezember 2021, als der damalige Innenminister Karl Nehammer auf den Kurzzeit-Kanzler Alexander Schallenberg folgte, tauschte die ÖVP einige Minister aus. Doch viel half es nicht. Von der derzeitigen Riege ist die Bevölkerung laut einer Umfrage der Tageszeitung "Kurier" nicht sonderlich überzeugt: Allein von Nehammer und Arbeitsminister Martin Kocher haben die Befragten mehrheitlich eine "gute Meinung".
Die restlichen ÖVP-Ressortminister liegen weit abgeschlagen im negativen Bereich. Von Elisabeth Köstinger etwa haben dieser Erhebung zufolge 61 Prozent eine "weniger gute Meinung", von Margarete Schramböck 56 Prozent. Auch landesweit steht es um die Post-Kurz-Partei nicht gut bestellt. Bei der Sonntagsfrage liegen mittlerweile die Sozialdemokraten vor der ÖVP, knapp dahinter die rechte FPÖ.
"Game Over für Türkis-Grün"
Die beiden Ministerinnen-Rücktritte sind daher für SPÖ und FPÖ ein willkommener Anlass für einen Neubeginn zu plädieren: "Game Over für Türkis-Grün" befindet der Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Christian Deutsch. Neuwahlen müssten jetzt her. Die Bundesregierung sei ein "Hort von Chaos, Instabilität, Planlosigkeit und schweren Fehlern," legte SPÖ-Fraktionsvize Jörg Leichtfried nach.
Fast wortgleich FPÖ-Chef Herbert Kickl, der seit dem Bruch der türkis-blauen Koalition im Ibiza-Sommer 2019 keine Gelegenheit zum Frontalangriff auf die Volkspartei auslässt: Diesen "Chaostagen in der Regierung" sollte ein Ende bereit werden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen möge den Weg zu Neuwahlen einleiten. Gelassen bleibt allein der grüne Koalitionspartner der ÖVP, der sich inzwischen als einzig stabile und berechenbare Kraft am Kabinettstisch versteht.