Brennende "Fremantle Highway" "Der Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr"
Die Bundesumweltministerin befürchtet eine "massive Umweltkatastrophe", der Chef des Nationalparks Wattenmeer sieht keinen Handlungsspielraum mehr: Die Sorge angesichts der brennenden "Fremantle Highway" wächst. Der Frachter soll nun gedreht werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) befürchtet eine massive Umweltkatastrophe im Wattenmeer, sollte das in der Nordsee vor der niederländischen Insel Ameland brennende Frachtschiff "Fremantle Highway" sinken.
In diesem Falle könnten große Mengen Treibstoff und weitere umweltschädliche Schadstoffe aus der Ladung des Autotransporters das empfindliche Ökosystem der Nordsee großflächig verschmutzen, sagte die Ministerin. "Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr."
Schweröl, Marinediesel, Benzin
Dem Ministerium zufolge befinden sich 1.600 Tonnen Schweröl und weitere 200 Tonnen Marinediesel an Bord. Hinzu kommen mögliche Tankinhalte der transportierten Fahrzeuge sowie Verbrennungsrückstände und Löschwasser.
Laut der japanischen Reederei Kawasaki Kisen Kaisha hat der Frachter 3.783 Autos geladen. Die niederländische Küstenwache hatte zuvor von 2.857 Autos gesprochen, davon 25 E-Autos.
Der Chef des Nationalparks, Peter Südbeck, sagte, nun könne nur noch gehofft werden. Sollte das Schiff kentern oder zerbersten, würden fast sicher Öl und andere Giftstoffe ins Weltnaturerbe gelangen. "Wir sitzen hier ein wenig wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange", so Südbeck.
Er hoffe, dass die Rettungs- und Katastrophenschutzschiffe vor Ort im schlimmsten Fall mit technischen Mitteln einen großen Teil der Stoffe auffangen könnten. "Selbst wir als Nationalparkverwaltung können dann nur noch sehr wenig machen."
Das Havariekommando in Cuxhaven bereitet sich nach eigenen Angaben weiter auf einen möglichen Schadstoffaustritt vor. Es stehen zwei Schiffe des Bundes und fünf Schiffe der Bundesländer bereit, wie ein Sprecher sagte. Das Havariekommando ist in Deutschland für die maritime Notfallvorsorge und das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig.
Nach Schätzung der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste könnte ausgetretenes Öl im Katastrophenfall womöglich auch in die Deutsche Bucht treiben.
Küstenwache will Schiff drehen
Die niederländische Küstenwache kündigte am Donnerstagabend an, den Frachter mit Hilfe eines Schleppers zu drehen. Da die Strömung sich ändere, könne das Schiff wieder kontrolliert Richtung Osten treiben. Durch den Schlepper bleibe die "Fremantle Highway" außerhalb der Fahrtrouten und in sicherem Abstand zum regulären Schiffsverkehr.
Der Frachter war in der Nacht zu Mittwoch etwa 27 Kilometer vor der niederländischen Wattenmeerinsel Ameland in Brand geraten. Die 23 Besatzungsmitglieder wurden laut dem deutschen Havariekommando evakuiert. Nach Auskunft der niederländischen Küstenwache kam ein Besatzungsmitglied ums Leben.
Kühlung gestoppt - Gefahr durch eindringendes Wasser
Löschtrupps können wegen der großen Hitze nicht an Bord. Am Donnerstag hatten die Rettungskräfte die Kühlung des Frachters vorerst gestoppt. Die Gefahr sei zu groß, dass zu viel Meerwasser ins Schiff gelange, teilte die Küstenwache mit. Dadurch könne der Frachter instabil werden. Löschboote hatten die Außenwände des Schiffes mit Seewasser gekühlt. Daran war auch ein deutsches Löschboot beteiligt.
Die Ursache des Feuers ist noch nicht geklärt. Allerdings gibt es aus dem Funkverkehr der Rettungskräfte Hinweise. "So wie es aussieht, ist auch ein elektrisches Auto explodiert", heißt es darin. Das Feuer habe in der Batterie eines elektrischen Autos begonnen. Auszüge des Funkverkehrs hatte der niederländische TV-Sender RTL am Donnerstag auf seiner Homepage veröffentlicht.
Südbeck unterstrich die Notwendigkeit der Prävention: "Die Schiffsrouten müssen weit außerhalb des Nationalparks verlaufen, damit im Ernstfall genug Zeit für Gegenmaßnahmen bleibt." Unfälle durch Wetter, menschliches oder technisches Versagen könnten in der Schifffahrt nicht ausgeschlossen werden.
UNESCO-Weltnaturerbe seit 2009
Seit 2009 steht das Wattenmeer wegen seiner herausragenden geologischen und ökologischen Bedeutung auf der UNESCO-Liste des Welterbes der Menschheit. Es erstreckt sich über eine Länge von rund 500 Kilometern entlang der deutschen, niederländischen und dänischen Nordseeküste und ist damit das größte Wattsystem der Welt.
Es bietet mehr als 10.000 Tierarten, Pflanzen und Kleinstlebewesen einen einzigartigen Lebensraum. Jedes Jahr rasten hier rund zwölf Millionen Zugvögel auf ihrem Weg zwischen Südafrika und Nordsibirien und Kanada.