Trauerfeier für Kremlkritiker Tausende Menschen bei Nawalnys Beerdigung
Bei einer Trauerfeier für Alexej Nawalny haben in Moskau Tausende Menschen von dem verstorbenen Kremlkritiker Abschied genommen. Auch Rufe gegen Putin wurden laut. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort.
In Moskau haben sich Angehörige und Unterstützer am offenen Sarg von dem toten Kremlgegner Alexej Nawalny verabschiedet. Sein Team, das wegen drohender Festnahme im Ausland ist, rang mit den Tränen, als Nawalnys Angehörige den Leichnam küssten. Die Live-Bilder waren in einem Youtube-Stream zu sehen.
Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied "My way". Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde.
Zuvor hatte eine Trauerfeier für den Oppositionellen stattgefunden. Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf YouTube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg lag, umgeben von zahlreichen Menschen. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.
Anti-Putin-Rufe
Trotz eines Großaufgebots von Polizei und Sicherheitskräften hatten sich schon Stunden vor der Beerdigung Hunderte Menschen versammelt. An der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere meine Trauer" im südöstlichen Bezirk Marjino drängten sich Tausende Menschen an Metallgittern, um sich von dem Oppositionsführer zu verabschieden. Viele trugen Blumen in den Händen.
Nach Angaben von Nawalnys Team war die Schlange wartender Menschen mehrere Kilometer lang. Im Livestream, den die Mitstreiter des Verstorbenen auf Youtube sendeten, zeigten sie Aufnahmen, auf denen zu hören, wie die Menschen "Nawalny" und "Wir werden nicht vergessen" skandierten sowie "Du hattest keine Angst und wir haben keine Angst". Viele riefen auch Anti-Putin-Parolen wie "Putin ist ein Mörder" und "Russland ohne Putin".
Auch westliche Botschafter bei Trauerfeier
Der Sarg mit dem Leichnam des Oppositionellen war nach einer Zeremonie in der Kirche zum etwa eine halbe Stunden Fußmarsch entfernten Friedhof Borissowskoje gebracht worden. Die Trauernden hatten den Leichenwagen auf dem Weg zum Friedhof begleitet. Auch dabei wurden Rufe gegen Putin und gegen den Krieg in der Ukraine laut. "Nein zum Krieg" und "Liebe ist mächtiger als Angst", wurde skandiert.
Nawalnys Verbündete hatten berichtet, dass der Sarg zunächst nicht aus dem Leichenwagen getragen werden konnte. Sicherheitskräfte blockierten demnach das Auto, in dem sich die Sargträger befinden.
Zur Trauerfeier kamen auch westliche Botschafter, darunter der Deutsche Alexander Graf Lambsdorff. Auch die letztlich nicht zugelassenen russischen Präsidentschaftsanwärter Boris Nadeschdin und Jekaterina Dunzowa waren in der Menschenmenge vor der Kirche zu sehen.
Ausländische Diplomaten stehen nahe der Kirche, in der die Trauerfeier für Nawalny stattfindet: Darunter sind der französische Botschafter in Russland, Pierre Levy (zweiter von links), und die US-Botschafterin in Russland, Lynne Tracy (zweite von rechts), sowie der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff (Mitte).
Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit in Russland eine Festnahme riskieren. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.
Drohkulisse vor Nawalnys Beerdigung
Zuvor hatte Russlands Machtapparat vor der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut: Metallgitter wurden weiträumig aufgestellt, Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten. Auch das mobile Internet sei eingeschränkt worden. Auch am Borissowskoje-Friedhof, wo Nawalny beigesetzt werden sollte, wurden zahlreiche Polizisten postiert.
Absperrung und Überwachung: Die Polizei am Borissowskoje-Friedhof in Moskau.
Festnahmen befürchtet - Kreml warnt
Befürchtet wird, dass der russische Machtapparat hart gegen Nawalnys Unterstützer vorgehen wird. Schon am Donnerstag bezog die Polizei vor dem Friedhof Stellung und kontrollierte Ausweise sowie Taschen von Passanten.
Zudem wurden zahlreiche Absperrgitter zum Friedhofsgelände gebracht. Schon in den vergangenen Wochen wurden landesweit Hunderte Menschen festgenommen, die an Denkmälern Blumen für den bekannten Oppositionspolitiker niederlegen wollten.
Der Kreml warnte vor Beginn der Trauerfeier vor der Teilnahme an "nicht genehmigten" Versammlungen. Wer an einer solchen Kundgebung teilnehme, werde "gemäß dem geltenden Recht zur Verantwortung gezogen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Tass.
Das Team des prominentesten Widersachers von Russlands Präsident Wladimir Putin hatte nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, einen Ort für den Trauergottesdienst zu finden. Zudem weigerten sich demnach mehrere Bestattungsunternehmen, den Leichnam des Oppositionspolitikers zu transportieren. Nawalnys Witwe hatte am Mittwoch vor möglichen Polizeiaktionen während der Trauerfeier gewarnt. "Ich weiß nicht, ob es eine friedliche Beerdigung wird, oder ob die Polizei Menschen festnehmen wird, die sich von ihm verabschieden wollen", sagte Julia Nawalnaja im Europaparlament.
Nawalny ist offiziellen Angaben zufolge am 16. Februar im Alter von 47 Jahren in einem Straflager nördlich des Polarkreises gestorben. Der scharfe Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin war durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und ständige Einzelhaft im Lager körperlich sehr geschwächt. Die Umstände seines Todes sind weiterhin unklar. Russische Behörden gaben eine natürliche Todesursache an. Vorwürfe einer staatlichen Verwicklung wiesen sie zurück. Anhänger Nawalnys und führende westliche Politiker machen indes Putin für den Tod des Oppositionspolitikers verantwortlich.
Für Entsetzen sorgte auch, dass Nawalnys Angehörige nach seinem Tod tagelang nach seiner Leiche suchen mussten und später offenbar von Vertretern des Staatsapparats bedrängt und erpresst worden sein sollen. Angaben von Mutter Ljudmila Nawalnaja zufolge wollte der Kreml erreichen, dass Nawalny heimlich beerdigt werde. Dagegen jedoch wehrte sie sich immer wieder. Schließlich erklärte Nawalnys Team dann, einen Ort für die Trauerfeier organisieren zu wollen.