Nach Tod Nawalnys Russische Geistliche fordern Freigabe von Leichnam
Hunderte russisch-orthodoxe Geistliche haben die Regierung in Moskau aufgefordert, den Leichnam von Kremlkritiker Nawalny freizugeben. Dessen Angehörige sollten sich von ihm verabschieden und ihn begraben können, schrieben sie.
Nach dem Tod von Alexej Nawalny haben etwa 800 russisch-orthodoxe Geistliche und Laien die Regierung in Moskau zur Freigabe der Leiche des im Straflager gestorbenen Kreml-Kritikers aufgefordert. "Wir fordern Sie auf, den Leichnam von Alexej Nawalny an seine Familie zu übergeben, damit seine Mutter, andere Familienangehörige und Gleichgesinnte sich von ihm verabschieden und ihm ein christliches Begräbnis bereiten können", hieß es in dem Appell, der auch vom Team Nawalnys verbreitet wurde.
Die Gläubigen erinnerten Präsident Wladimir Putin, der sich selbst oft mit Kerze in der Hand in Kirchen zeigt, daran, dass es christliche Regeln gebe: Die Angehörigen hätten einen Anspruch auf die Beerdigung. Das sei nicht nur "ihr Wunsch und ihr gutes Recht, sondern auch ihre Pflicht gegenüber Gott und dem Verstorbenen", hieß es in dem Appell. Nawalny sei nicht nur ein Oppositionspolitiker gewesen, "er war auch ein gläubiger Mensch".
"Denken Sie daran, dass vor Gott alle gleich sind"
Die Tragödie des Todes dürfe nicht dadurch verschärft werden, dass eine einfache menschliche Bitte abgeschlagen werde, schrieben die Russisch-Orthodoxen. "Denken Sie daran, dass vor Gott alle gleich sind." Es bestehe die Gefahr, dass durch Ungnade und Unmenschlichkeit die Spannungen in der Gesellschaft noch weiter zunähmen. "Zeigen Sie Barmherzigkeit und Mitgefühl für seine Mutter, seine Frau, seine Kinder und seine Angehörigen."
Nawalnys Mutter, Ljudmila Nawalnaja, hatte sich zuvor bereits per Video an Putin gewandt, um ihren Sohn beerdigen zu dürfen. Nach orthodoxem Brauch sollen Gläubige am dritten Tag nach ihrem Tod beerdigt werden. Der Kreml hält die Leiche des am Freitag vergangener Woche für tot erklärten Nawalny aber weiter unter Verschluss. Menschenrechtler, Angehörige und Unterstützer werfen Putin vor, er habe seinen Gegner im Straflager ermorden lassen. Der Kreml weist die Anschuldigungen zurück.
Kremlkritiker Kara-Mursa spricht Russen Mut zu
Unterdessen sprach der zu 25 Jahren Gefängnis verurteilte russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa seinen Landsleuten nach Nawalnys Tod Mut zu. "Alexej sagte: 'Gebt nicht auf. Es ist unmöglich, aufzugeben'", erklärte Kara-Mursa aus der Isolationshaft in einer Strafkolonie in Sibirien. "Wenn wir uns der Düsternis und Verzweiflung hingeben, ist das genau das, was sie wollen."
Den Kampf für Demokratie nach Nawalnys Tod aufzugeben, ist laut Kara-Mursa keine Option. "Wir haben kein Recht dazu, das sind wir unseren gefallenen Kameraden schuldig." Er äußerte die Hoffnung, "Russland zu einem normalen, freien, europäischen und demokratischen Land zu machen". Kara-Mursa sagte, im russischen Geheimdienst gebe es eine Gruppe professioneller Killer, deren Aufgabe es sei, Gegner des Regierungssystems von Putin zu beseitigen.
Der Kremlkritiker war im April 2023 für schuldig befunden worden, "falsche Informationen" über die russische Armee verbreitet und Verbindungen zu einer "unerwünschten Organisation" unterhalten zu haben. Ende Januar wurde er nach Angaben seiner Anwältin für vier Monate in Isolationshaft verlegt. Die Verurteilung zu 25 Jahren Haft ist die längste bekannte Gefängnisstrafe für einen Kritiker Putins. Wie zuletzt Nawalny leidet auch Kara-Mursa unter schweren gesundheitlichen Problemen.