Russischer Medienbericht Nawalnys Leiche in nordsibirischer Klinik?
Nicht einmal Nawalnys Mutter konnte seine Leiche bislang abholen - doch es gibt Neuigkeiten zum Lagerungsort: Laut einem Medienbericht liegt sie in einer sibirischen Klinik. Tausende forderten ihre Herausgabe.
Die Leiche des in Haft ums Leben gekommenen Kremlkritikers Alexej Nawalny wird einem Medienbericht zufolge im Bezirkskrankenhaus der Stadt Salechard im hohen Norden Sibiriens aufbewahrt. Eine Obduktion habe zumindest bis Samstag noch nicht stattgefunden, berichtete die kremlkritische "Nowaja Gaseta Europa" unter Berufung auf eigene Informanten. Eine offizielle Bestätigung für diese Angaben gibt es nicht.
Die "Nowaja Gaseta" zitiert einen anonymen Mitarbeiter des Notfalldienstes. Die blauen Flecken zeugen dessen Angaben nach davon, dass Nawalny vor dem Tod Krämpfe gehabt habe und von Mitarbeitern des Straflagers festgehalten wurde. Ein Bluterguss auf der Brust sei zudem Indiz für tatsächlich vorgenommene Wiederbelebungsversuche. Allerdings geht aus dem Zeitungsbericht hervor, dass der Informant selbst Nawalny nach dessen Tod ebenfalls nicht gesehen, sondern über seinen Zustand nur von Kollegen informiert worden sei.
Nawalnys Mutter sucht nach der Leiche
Nawalnys Mutter versuchte bislang vergebens, ihren toten Sohn abzuholen. Weder in der Strafkolonie noch in Salechard wurde ihr der Leichnam übergeben.
Mehr als 12.000 Menschen hätten einen Aufruf an das russische Ermittlungskomitee unterstützt, den Leichnam herauszugeben, teilte die Bürgerrechtsplattform OWD-Info mit. OWD-Info hatte den Aufruf selbst erst am späten Samstagnachmittag gestartet. "Die Herausgabe der Leiche muss so schnell wie möglich erfolgen. Wenigstens nach seinem Tod sollte Alexej Nawalny bei seinen Angehörigen sein", heißt es in der Erklärung.
Salechard ist die Hauptstadt des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen. Das Straflager "Polarwolf", in dem Nawalny starb, liegt etwa 50 Kilometer Luftlinie nordwestlich davon jenseits des Polarkreises.
Nawalny-Anhänger sprechen von Mord
Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos. Die Todesursache muss nach Behördenangaben noch genauer untersucht werden.
Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Antikorruptionskämpfers gehen davon aus, dass er getötet wurde. Nawalnys Anhänger werfen den russischen Behörden vor, eine Übergabe von seinem Leichnam zu verhindern, um die Spuren seiner "Mörder" zu verwischen. "Es war kein Tod, es war Mord", erklärte auch Nawalnys enger Verbündeter Leonid Wolkow.
Weltweite Empörung
Weltweit gibt es Gedenkveranstaltungen für den mit 47 Jahren in Haft ums Leben gekommenen russischen Oppositionspolitiker. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Freitag in Bezug auf Russland: "Wir wissen aber nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist". Nawalny habe seinen Mut wahrscheinlich mit seinem Leben bezahlt.
US-Präsident Joe Biden macht ebenfalls am Freitag den russischen Staatschef Wladimir Putin für Nawalnys Tod verantwortlich. Die Berichte hätten ihn nicht überrascht, aber empört. Nawalny habe sich mutig gegen die Korruption, die Gewalt "und all die schlechten Dinge" gewehrt, die die Putin-Regierung getan habe: "Putin ist für Nawalnys Tod verantwortlich."
Gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gedenkens wurden bereits die ersten Haftstrafen verhängt.
Hunderte Festnahmen wegen Gedenkens Nawalny
In Russland wurden bei verschiedenen Aktionen mehr als 400 Menschen festgenommen.
Russische Gerichte begannen laut Menschenrechtsorganisationen am Samstag, Haftstrafen gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gedenkens von bis zu zwei Wochen zu verhängen. In Moskau errichtete die Polizei an dem als "Mauer der Trauer" bekannten Mahnmal für die Opfer von Unterdrückung in der Sowjetzeit Absperrungen, um die Trauerbekundungen für Nawalny zu verhindern. Mehrere Dutzend Polizisten waren rund um das Denkmal postiert, wie ein AFP-Reporter berichtete. Manche Menschen durften die Absperrungen passieren, um Blumen an dem Mahnmal niederzulegen.
Unter ihnen war die US-Botschafterin Lynne Tracy. Die US-Botschaft veröffentlichte in Online-Netzwerken ein Foto von Tracy vor Blumen an dem Mahnmal.