NATO-Treffen in Prag Wie Tschechien von der Ukraine-Hilfe profitiert
Das Treffen der NATO-Außenminister in Prag soll auch die Anerkennung der Allianz für das tschechische Engagement für die Ukraine zeigen. Die Hilfsleistungen sind im Land zwar umstritten - doch Tschechien profitiert auch von ihnen.
In einem besteht Einigkeit unter den Außenministern der NATO-Länder, die in Prag zusammenkommen. Die Ukraine kämpfe auch für die Sicherheit Europas. In Prag wollen die NATO-Länder daher noch einmal ihre Bereitschaft zur tätigen Unterstützung der Ukraine bestätigen.
Es geht um konkrete Formen der Militärhilfe, im Einzelnen etwa um die tschechische Munitionsinitiative oder das deutsche Projekt zur Verstärkung der ukrainischen Luftabwehr. Zugleich will die NATO in Prag ihre Ukraine-Hilfen zukunftssicher machen: Die Koordinierung der Unterstützung soll von Ad-hoc-Formaten wie Ramstein auf NATO-Institutionen übertragen und vor allem langfristig gesichert werden - ein wichtiger Punkt gerade mit Blick auf den unsicheren Ausgang der US-Wahlen.
Ein Treffen als Dank
Das Treffen in Prag ist auch eine Anerkennung der tschechischen Bemühungen um Hilfe für die Ukraine. Tschechien gilt als einer der entschiedensten und tatkräftigsten Unterstützer von Kiew, und das sowohl bei militärischen Hilfslieferungen als auch bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und humanitärer Hilfe.
Staatspräsident Petr Pavel, ein Ex-General und ehemals höchster militärischer Amtsträger der NATO, mahnt weiter und immer dringlicher die Notwendigkeit eines viel stärkeren westlichen Engagements an.
Im Gespräch mit der ARD kritisierte Pavel das Zögern vieler Verbündeter bei Waffenlieferungen. "Hätten wir diese Zeit der Überlegungen und der Risikoabwägung übersprungen, dann hätte die Ukraine diese Hilfe Monate, vielleicht sogar Jahre früher erhalten und die Lage könnte heute anders aussehen."
Tschechien gehörte zu den ersten Staaten, die auch schwere Waffen an die Ukraine abgaben. Das Land musste dabei immer wieder Bedenken ausräumen, damit zu einer Eskalation des Konfliktes beizutragen.
Die Unterschiede bei der Unterstützung
Als sich Wochen vor dem russischen Überfall ein mögliches Kriegsszenario abzeichnete, begann man im Prager Verteidigungsministerium außerdem, aktiv Bestandslisten mit auf dem Markt verfügbaren Waffenmaterial zusammenzustellen. Dazu wurden auch langfristige Kontakte der tschechischen Rüstungsindustrie genutzt.
Es ist diese fortlaufend aktualisierte Liste, die vor allem in Kooperation mit Dänemark und den Niederlanden, aber auch den USA, die ersten umfangreichen Materiallieferungen noch im Frühjahr 2022 ermöglichte. Sie bildet auch die Grundlage für die gegenwärtige Munitionsinitiative, bei der die Einkäufe deutlich gesteigert und ihre Finanzierung auf eine breitere Zahl von Staaten verteilt werden soll.
Doch weder Umfang noch Geschwindigkeit sind völlig befriedigend. Es hapere aber keineswegs an der Verfügbarkeit des Materials, sondern am Geld, heißt es aus dem tschechischen Verteidigungsministerium. Erst fünf der 20 deklarierten Unterstützerstaaten, darunter auch Deutschland, hätten den zugesagten Beitrag tatsächlich auch geleistet.
Am anderen Ende stünden wiederum fünf Staaten, die abgesehen, von der Zusage, bislang kaum Bewegung gezeigt hätten. Es handele sich um NATO-Mitglieder, konkreter will das Ministerium nicht werden.
Viel Munition auf dem Markt - und viele Interessenten
Aus diesem Grund konnten bislang nur Bestellungen über 500.000 Stück Artilleriemunition im Gesamtwert von 1,7 Milliarden Euro verbindlich abgeschlossen werden. Das reiche aus, um die russische Feuerkraft für etwa zweieinhalb Monate auszugleichen. Am Markt verfügbar sei ein vielfaches der Zahl - und natürlich sei auch Russland am Kauf interessiert.
Tatsächlich zeigen Statistiken, dass jenseits der wiederholten Solidaritätsbekundungen die tatsächliche Bereitschaft, die Ukraine zu unterstützen, schon in Europa mit wachsender Distanz zur russischen Grenze spürbar nachlässt.
Dänemark ist demnach im Bezug zum Bruttoinlandsprodukt fast fünfmal stärker engagiert als Frankreich. Und auch der Vorreiter Tschechien liegt mit Aufwendungen von etwas mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts nur im europäischen Mittelfeld. Dabei zeigt das Land, dass sich Hilfe durchaus rechnen kann, und das nicht nur unter Sicherheitsaspekten
"Kriegsgewinnler" Tschechien
Seit Beginn des Konflikts gehört Tschechien zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine, hat im Verhältnis zur Bevölkerung die größte Zahl von Flüchtlingen aufgenommen. Unter dem Slogan "Geld für Tschechen, nicht für Ukrainer" wird das von der nationalistischen Opposition im Land angeprangert.
Die Bilanz zeigt nun aber: Tschechien ist finanziell im Plus. Die Waffenlieferungen wurden durch Ringtausche von NATO-Partnern mehr als kompensiert. Und die ukrainischen Flüchtlinge integrieren sich zunehmend, sind inzwischen kein Kosten-, sondern ein Einkommensfaktor für den Staat.
Im Land gemeldet sind derzeit rund 380.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge. Etwa ein Drittel davon arbeitet, führt Steuern ab und zahlt in die Sozialversicherungssysteme ein. In Deutschland ist es gerade einmal jeder Fünfte.
Die Sozialsysteme profitieren
2022 kostete die Hilfe für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer Tschechien umgerechnet eine Milliarde Euro, doch bereits damals zahlten die Ukrainer schon 500 Millionen Euro in die Sozialsysteme ein. Jetzt, zwei Jahre später, übersteigen die Abgaben die Hilfszahlungen bereits.
Stolz verkündet Tschechiens Sozialminister Marian Jurecka, sein Land liege bei der Integration ukrainischer Geflüchtete weit vorn. Berechnungen nach dürfte noch im laufenden Jahr die Gesamtbilanz von ausgezahlter Unterstützung und eingenommenen Sozialabgaben ins Plus umschlagen.