Mays Rücktritt "Sie hätte Nationalheldin werden können"
Premierministerin May wollte den Brexit mit aller Kraft. Doch nun hat sie überraschend emotional aufgegeben. Ihre möglichen Nachfolger bringen sich schon in Stellung.
Theresa May hat selten Gefühle gezeigt in den vergangenen Jahren. Aber heute, am Ende ihrer Rücktrittsrede, wurde sie richtig emotional: "Es ist die Ehre meines Lebens gewesen, Premierministerin zu sein", sagte sie. Sie sei die zweite Frau in diesem Amt, aber sicherlich nicht die letzte. "Ich gehe nicht im Groll, sondern mit großer Dankbarkeit, die Möglichkeit gehabt zu haben, dem Land zu dienen, das ich liebe." May war den Tränen nahe - und hat damit einmal mehr überrascht.
Dennoch: Sie wird nun als die gescheiterte Premierministerin in die Geschichte eingehen - dabei hätte sie alle Chancen auf ihrer Seite gehabt, meint ihr Parteikollege Peter Bone: "Sie hätte Nationalheldin werden können, wenn sie ihr Wort gehalten hätte und wir am 29. März die EU verlassen hätten." Mehr als hundertmal hätte sie das Versprechen im Unterhaus gemacht. "Wenn wir am 29. März ausgestiegen wären, dann hätte sie den Brexit geliefert, den alle wollten."
Druck auf May zu groß
Am Vormittag war die Premierministerin mit dem Fraktionschef der Tories zusammengetroffen. Graham Brady hatte Mays Abgang vehement vorangetrieben. Mit Erfolg: Der Druck auf May war bis zum Morgen so groß geworden, dass sie nachgeben musste.
Die entscheidende Wende kam mit ihrer Rede am Dienstag, als sie den Entwurf für ein EU-Austrittsgesetz vorstellte. Die Oppositionsparteien waren empört, dass das Parlament zwar das Recht erhalten sollte, über ein zweites Referendum zu entscheiden, dieses Recht aber an die Zustimmung zum Austrittsgesetz gekoppelt sein würde. Und Mays eigene Partei war zu großen Teilen entsetzt, dass überhaupt die Möglichkeit eines zweiten Referendums bestehen sollte.
Wahrscheinlichkeit für No-Deal-Brexit steigt
Unzählige Male hatte May in ihrer Amtszeit betont, dass sie "liefern" wolle. Jetzt ist endgültig klar: Ihr Brexit-Deal ist tot. Das macht May zu schaffen, wie sie in Ihrer Abschiedsrede gesteht: "Ich werde es immer zutiefst bedauern, dass ich den Brexit nicht liefern konnte." Nun sei es die Aufgabe ihres Nachfolgers, einen Weg zu finden, das Referendum umzusetzen. "Um das zu schaffen, wird er oder sie einen Konsens finden müssen, den ich nicht erreichen konnte. So eine Übereinstimmung kann nur gefunden werden, wenn alle Seiten bereit zu Kompromissen sind.“
Es ist allerdings zweifelhaft, ob ein Nachfolger von May überhaupt dazu bereit sein wird, Kompromisse einzugehen. Insgesamt steigt die Wahrscheinlich, dass es einen No-Deal geben wird - Großbritannien also ganz ohne Abkommen aus der EU aussteigt. Denn es wird allgemein damit gerechnet, dass die Tories nun einen Hardliner an die Spitze wählen, der sich im Brexit-Prozess eher unnachgiebig zeigt.
Davon geht auch der Tory-Abgeordnete Mark Francois aus: "Wir müssen jetzt mit dem Bewerbungsprozess für einen neuen Parteichef beginnen, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Brexiteer sein wird - wer konkret, müssen wir noch sehen." Hoffentlich komme ein Premierminister ins Amt, der sich wirklich verpflichtet fühle, den Austritt aus der EU umzusetzen.
Rennen um Nachfolge hat begonnen
Das Schaulaufen derjenigen, die May im Amt beerben wollen, hat schon begonnen. Der prominente Ex-Außenminister Boris Johnson hatte ja schon vor einigen Tagen wissen lassen, dass er kandidieren will und heute Nachmittag hat nun auch der amtierende Außenminister Jeremy Hunt seinen Hut in den Ring geworfen. Es dürften noch deutlich mehr werden.
Offiziell wird das Bewerbungsverfahren allerdings erst am 10. Juni beginnen und soll dann Ende Juli, noch vor der Sommerpause, abgeschlossen sein. Labour-Chef Jeremy Corbyn will die Dinge nicht einfach so laufen lassen. Und was müsste seiner Meinung nach passieren? Neuwahlen, damit klar werde, in welche Richtung das Land nun gehen will.