Rechtsruck bei französischen Medien Eine "leere Redaktion" nach mehreren Wochen Streik
In Frankreich haben Redakteure einer Traditionszeitung wochenlang gegen ihren neuen Chef gestreikt - vergeblich. Sie wollten einen Rechtsruck des Blattes verhindern. Den gab es auch schon bei einer Reihe anderer Medien.
"Er kommt in eine leere Redaktion", schreibt das Team der französischen Sonntagszeitung "Journal du Dimanche" (JDD) zum Amtsantritt des neuen Chefredakteurs Geoffroy Lejeune. Dutzende Journalisten weigern sich, mit ihm zusammenzuarbeiten, und werden die Zeitung verlassen, heißt es weiter. Bitteres Fazit: Man müsse der Leserschaft im Hinblick auf die Unabhängigkeit gegenüber dem Besitzer eingestehen, man habe nicht gewonnen.
Der 34-Jährige neue Chefredakteur Lejeune hat zuvor die ultrarechte Zeitschrift "Valeurs actuelles" - auf Deutsch: "Aktuelle Werte" geleitet. Die hatte unter anderem einen Rechtsaußen-Präsidentschaftskandidaten unterstützt.
Mitarbeiter von "Journal du Dimanche" streiken außerhalb des Gebäudes in Paris am 5. Juli 2023.
Zwischen gehen und bleiben wollen
JDD-Aktionär Arnaud Lagardère ließ wissen, die Zeitschrift gehe wieder online und komme in Papierform Mitte August in die Kioske. Dafür sorgt ein in der Nacht ausgehandelter Vertrag. Der sieht auch einen Sozialplan für jene Journalisten vor, die gehen wollen. Für das Ende des fast sechswöchigen Streiks haben nun 94 Prozent der Redaktionsmitarbeiter gestimmt. Sie können wählen, ob sie in einer "entstellten" Redaktion bleiben oder gehen wollen.
In beiden Fällen sei es aber eine Kampfentscheidung - gegen den erzkonservativen Medienmulti Vincent Bolloré, der in Papierindustrie, Logistik und Baubranche Milliarden verdient hat und nun die Lagardère-Gruppe schluckt. Damit besitzt er nicht nur die größte überregionale Sonntagszeitung JDD, sondern auch den Radiosender Europe 1 oder das Magazin "Paris Match". Er betreibt bereits den weit rechts stehenden TV-Kanal Cnews. In allen übernommenen Medien kam es zu Umwälzungen und direktes Einmischen in die Berichterstattung.
Rechte Medien - rechte Politik?
Damit setzt sich ein Rechtsruck in den französischen Medien fort - rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen 2027. Schon jetzt steht dafür eine Rechtsaußenpolitikerin in den Startlöchern: Marine Le Pen scheint populär wie nie.
Das Parlament bereitet indes ein von Le Pens Rassemblement National scharf kritisiertes Gesetz vor, nach dem Fördergelder und Frequenzen nur vergeben werden sollen, wenn die redaktionelle Mitsprache bei der politischen Ausrichtung gewährleistet werde.
Für neue Gesetze, die freie Medien garantieren, setzt sich auch die alte JDD-Redaktion ein. Sie will dafür einen Verein gründen. Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, im Herbst die "Generalstände der Information" einzuberufen. Oberste Themen seien Unabhängigkeit und Pluralismus.