Wladimir Putin

Putin zu Getreidelieferungen Alles halb so schlimm?

Stand: 28.07.2023 12:57 Uhr

Beim Russland-Afrika-Gipfel hat Kremlchef Putin seinen Gästen Lebensmittelsicherheit versprochen. Sein Land könne ukrainische Getreidelieferungen vollständig ersetzen, sagte er. Allerdings gibt es ein Problem mit der Logistik.

"Liebe Freunde, alles halb so schlimm, wir sind ja da" - so lässt sich der Auftritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Russland-Afrika-Gipfel zusammenfassen.

Ja, der Getreidedeal sei nicht verlängert worden, ukrainisches Getreide dürfe nicht mehr über das Schwarze Meer exportiert werden. Aber: "Russlands Anteil am globalen Weizenmarkt beträgt 20 Prozent, der der Ukraine liegt bei unter fünf Prozent", sagte Putin. Russland leiste "einen erheblichen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit, ist solider und verantwortungsbewusster internationaler Lieferant landwirtschaftlicher Produkte".

Rekordernten

In der Tat: Russland war und ist Getreide-Exportweltmeister. Im vergangenen Jahr wurde eine Rekordernte eingefahren: Die russische Statistikbehörde Rosstat meldete 157,7 Millionen Tonnen Getreide und Hülsenfrüchte. Eine weitere Rekordernte dürfte in diesem Jahr folgen.

Zwar gibt es noch keine offiziellen Ertrags-Statistiken, aber Russland hat seine Landwirtschaftlichen Flächen im vergangenen September vergrößert, als es sich  völkerrechtswidrig vier ukrainische Regionen einverleibte - und ukrainisches Getreide verkaufte.

Bis Juni sind aus Russland 60 Millionen Tonnen Getreide exportiert worden, auch dies ein Rekord. Für das vergangene Jahr freute sich Russlands Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew über 41 Milliarden US-Dollar an Exporterlösen.

Ohne die mehrfache Verlängerung des Getreidedeals wären es noch mehr gewesen, räumte Putin vor einigen Tagen unverhohlen ein: Das Minus für die russischen Agrarproduzenten und Düngemittelhersteller habe aufgrund eines Rabatts von 30 bis 40 Prozent auf den Weltmärkten bei umgerechnet 1,2 Milliarden US-Dollar gelegen.

Putin will Tausende Tonnen Getreide spenden

Von jeder Tonne Export-Getreide gingen im vergangenen Jahr 400 Kilogramm in den Nahen Osten, 300 Kilogramm nach Asien, 200 nach Afrika und 70 Kilogramm in die Europäische Union. In diesem Jahr könnten nach offiziellen Angaben 160 Staaten weltweit beliefert werden.

Russland sei in der Lage, ukrainisches Getreide "sowohl durch kommerzielle als auch durch kostenlose Hilfe für die bedürftigsten Länder Afrikas zu ersetzen", versprach Putin. "Innerhalb der nächsten drei bis vier Monate spenden wir an Burkina Faso, Simbabwe, Mali, Somalia, die Zentralafrikanische Republik und Eritrea jeweils 25.000 bis 50.000 Tonnen Getreide."

Was Putin kleinredet: Auch die Ukraine gehört seit Jahren in die Top-10 der weltweiten Getreideexporteure. Noch, denn der aufgezwungene Krieg und aktuell das Ende der Schwarzmeer-Initiative erschweren die Ausfuhren erheblich. Zudem bombardierte Russland in den vergangenen Tagen gezielt Hafenanlagen und Speicher in ukrainischen Schwarzmeerhäfen. 

"Geste guten Willens reicht nicht aus"

Für Russland heißt das Kernproblem heute: Logistik. Denn Nahrungs- und Düngemittel sind von westlichen Sanktionen ausdrücklich ausgenommen. Etwa 80 Prozent werden jedoch per Schiff exportiert. Russlands erster Getreidefrachter einer neuen Flotte wird allerdings voraussichtlich erst 2026 vom Stapel laufen. 

"Leider hat Russland keine eigene Flotte, um unser Getreide zu transportieren", sagte Experte Leonid Isaew von der Moskauer Higher School of Economics im russischen Staatsfernsehen. Sein Land müsse auf Dienstleistungen anderer Länder zurückgreifen. Ausländische Unternehmen seien aber noch nicht bereit, das hohe Risiko von Sanktionen einzugehen. "Deshalb reicht eine Geste des guten Willens Russlands nicht aus, damit die Afrikaner tatsächlich mit Getreide versorgt werden."

Fortsetzung des Getreidedeals für Putin undenkbar

Für Russland ist es außerdem schwieriger geworden, Versicherungen abzuschließen oder Zahlungen abzuwickeln, weil die Rosselchozbank, die staatliche Landwirtschaftsbank, im vergangenen Sommer aus dem SWIFT-System ausgeschlossen wurde.

Dennoch versprach Putin beim Russland-Afrika-Gipfel erneut, alles zu tun, um eine globale Lebensmittelkrise zu verhindern. Undenkbar für ihn sind derzeit aber die beiden naheliegenden Ansätze: die Fortsetzung des ausgesetzten Getreidedeals sowie ein Ende des Krieges gegen das Nachbarland Ukraine.

Frank Aischmann, ARD Moskau z.Z Berlin, tagesschau, 28.07.2023 11:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 28. Juli 2023 um 12:11 Uhr.