Kylian Mbappe spricht während einer Pressekonferenz.
analyse

Neuwahlen in Frankreich Wenn Fußballer politisch werden

Stand: 17.06.2024 18:28 Uhr

Seit heute steckt Frankreich offiziell im Wahlkampf. Viele fürchten den Aufstieg der Rechten - andere sehnen ihn herbei. Auch Fußballstar Mbappé hat sich zu Wort gemeldet.

Nun hat sich sogar Frankreichs Fußballstar Kilian Mbappé in diesen wahnwitzig kurzen Wahlkampf eingeschaltet. Bei der Auftaktpressekonferenz seiner Mannschaft in Düsseldorf anlässlich der Europameisterschaft warnte der Mannschaftskapitän der "Bleues" mit ernster Miene und sehr leidenschaftlich, dass sich die Extremen an der Schwelle zur Macht befänden.

Er rufe in dieser wichtigen Situation alle Landsleute und gerade auch die jungen Menschen dazu auf, wählen zu gehen. "Wir müssen uns doch mit unseren Werten identifizieren, mit der sozialen und kulturellen Vielfalt, mit Toleranz und Respekt." Und mit Blick auf den entscheidenden zweiten Wahlgang am 7. Juli setzte er hinzu:

Ich hoffe, dass wir am 7. Juli alle noch stolz sein werden, Franzosen zu sein." 

Ausgerechnet der Sprecher des extrem rechten Rassemblement National (RN), Laurent Jacobelli, begrüßte Mbappés Worte und erklärte, seine Partei könne mit der Bezeichnung "extrem" gar nicht gemeint sein. Mbappé habe Recht. Es gebe im Land Leute, die spalten wollten. "Die Macronie hat genau das getan. Und jetzt ist das neue Linksbündnis auf Spaltung aus", erklärte Jacobelli im Sender France Info. 

Pingpong der Anschuldigungen

Diese Anschuldigungen wies Manuel Bompard, einer der Kandidaten des Linksbündnisses Front Populaire, am Morgen zurück, um gleich darauf - ebenso wie Jacobelli - mit dem Finger auf das Lager um Präsident Emmanuel Macron zu zeigen: "Man kann nicht gerade sagen, dass Macrons Rentenreform das Land geeint hat."

Macrons Premierminister Gabriel Attal wiederum warnte am Morgen im Radiosender RTL davor, sich von dem Programm der anderen verführen zu lassen. Erneut erklärte er die extreme Linke für ebenso gefährlich wie die extreme Rechte: "Beide wären eine Katastrophe für das Land - vor allem, was das soziale Klima anbelangt, weil es Streit und Spaltung auf allen Ebenen gäbe."  

Zwei Wahlgänge, eine Hürde

Derweil haben alle drei großen Blöcke - links, rechts, Mitte - bis Sonntagnacht fieberhaft daran gearbeitet, ihr Lager mit den besten Kandidaten und Kandidatinnen in die beste Ausgangslage für den ersten Wahlgang am 30. Juni zu bringen. Es gilt eine 12,5-Prozent-Hürde. Nur wer diese Hürde nimmt, schafft es in die zweite und entscheidende Runde am 7. Juli.  

Die noch mit Vorsicht zu genießenden Umfragen sagen dem RN für die erste Runde ein ähnlich gutes Ergebnis voraus wie bei den Europawahlen, sprich deutlich über 30 Prozent. Auf Platz zwei würde das Linksbündnis Front Populaire landen, das aus extrem linker LFI, Sozialisten, Grünen und Kommunisten besteht.

Und die Liste der Präsidentenpartei würde nur auf dem dritten Platz landen. Schwer angeschlagen starten die konservativen Républicains ins Rennen. Ihr Parteichef Eric Ciotti hatte letzte Woche ohne Rücksprache ein Bündnis mit dem RN verkündet. Daraufhin hatten Parteigranden vergeblich versucht, ihn abzusetzen. Nun droht der Partei die Spaltung.  

Pole Position für die zwei Wahlgänge

Um die gemäßigten Kräfte in jedem der 577 Wahlkreise zu stärken, wird die Macron-Liste nicht überall antreten. Hat beispielsweise ein konservativer Kandidat bessere Chancen, in die zweite Runde zu kommen, verzichtet Ensemble pour la République auf einen eigenen Kandidaten.

Eine ähnliche Taktik verfolgen die Rechtsnationalen von Reconquête. Obwohl kein offizielles Bündnis mit dem starken RN zustande gekommen ist, verzichtet Reconquête nun in einigen Wahlkreisen darauf, Gegenkandidaten zum RN aufzustellen. So hoffen sie, die extreme Rechte zu stärken.   

Das Linksbündnis Front Populaire präsentierte seinen Anhängern am Wochenende ein desolates Schauspiel: Auf den letzten Metern verweigerte die Parteispitze einigen erfahrenen Parteisoldaten die offizielle Kandidatur. Es handelt sich jeweils um Kritiker des umstrittenen Spiritus Rector der linksextremen LFI, Jean-Luc Mélenchon.

Ein Lichtblick ist für manch einen Wähler der Linken, dass sich der Sozialist und ehemalige Präsident Francois Hollande in seinem alten Wahlkreis in der Corrèze hat aufstellen lassen. Die außergewöhnliche Lage verlange nach außergewöhnlichen Entscheidungen, erklärte Hollande am Freitag.

Wahlkampfschlager Kaufkraft

Eines der wichtigsten Themen zum Auftakt des Wahlkampfes ist die Kaufkraft. Premier Attal erklärte im Interview mit RTL, in Sachen Wirtschaft und Beschäftigung drohe mit den beiden Extremen eine Katastrophe. "Beide präsentieren ein nicht gegenfinanziertes Programm von mehreren Hundert Milliarden Euro." Das würde Steuererhöhungen bedeuten und damit einen Aderlass für die Mittelklasse und die Rentner, erklärte Attal.  

Allerdings rückt auch das Wahlbündnis der Präsidentenpartei, das noch vor kurzem einen Anstieg der Strompreise und ein 20-Milliarden-Sparpaket angekündigt hatte, von seinen bisherigen Plänen ab.

Stattdessen stellt es eine Senkung der Energiepreise in Aussicht und will außerdem den Sockel für steuerfreie Arbeitnehmerprämien erhöhen. Der RN wiederum verspricht, die Steuern auf Strom und Treibstoff zu senken. Und das Linksbündnis wirbt damit, den Netto-Mindestlohn um gut 200 Euro auf 1.600 Euro monatlich heraufzusetzen. Der Express-Wahlkampf ist in vollem Gange.

Julia Borutta, ARD Paris, tagesschau, 17.06.2024 12:27 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 17. Juni 2024 um 13:21 Uhr.