Wahlkampf in Frankreich Parteien schmieden Allianzen für die Neuwahl
Die Zeit bis zur Neuwahl des französischen Parlaments ist kurz. Die politischen Lager wollen sich zusammenzuschließen, um Wählerstimmen zu bündeln. RN-Chef Bardella beansprucht im Falle des Wahlsiegs das Amt des Premierministers.
Mit Blick auf die angekündigte Neuwahl der Nationalversammlung rücken in Frankreich die Parteien in den verschiedenen politischen Lagern enger zusammen. Der Rassemblement National (RN) - klarer Sieger der Europawahl - stellte eine mögliche Zusammenarbeit mit der konservativen Partei Les Républicains (LR) in Aussicht.
In einem Interview mit den französischen Fernsehsender TF1 betonte die frühere RN-Parteichefin Marine Le Pen, sie könne sich durchaus vorstellen, keinen Gegenkandidaten zur LR aufzustellen, wenn sich beide Parteien im betroffenen Wahlkreis zuvor geeinigt hätten. Ihr Rassemblement National arbeite an einer Zusammenarbeit mit den Konservativen.
Für eine solche Kooperation machte Le Pen eine gemeinsame politische Linie zur Voraussetzung. Als Ziele nannte sie die "Verteidigung der Kaufkraft", die Wiederbelebung der Wirtschaft sowie den "Kampf gegen Unsicherheit und Einwanderung".
Ziel einer "möglichst breiten Mehrheit"
Auch ein Zusammenrücken des RN mit der noch weiter rechts stehenden Partei Reconquête steht im Raum. Am Tag nach der Europawahl hatten sich sowohl der Vorsitzende des RN, Jordan Bardella, als auch Le Pen selbst mit Marion Maréchal zu Gesprächen getroffen. Maréchal ist die Nichte von Le Pen und war bei der Europawahl als Spitzenkandidatin für Reconquête angetreten.
Ziel des Treffens sei gewesen, "eine möglichst breite Mehrheit" als Gegengewicht zum proeuropäischen Lager von Präsident Macron zu bilden, hieß es von Bardella. Mit anderen Parteien des rechten Spektrums wolle der RN als nationale Union bei der Parlamentswahl mit dem Ziel antreten, die Regierung und das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen.
Ich selbst bin vollkommen bereit, mit Persönlichkeiten zu diskutieren, die nicht aus dem Rassemblement National stammen und die den Ehrgeiz teilen, in einigen Wochen einen Teil unserer Ideen an die Macht zu bringen und - auch im Rahmen einer Kohabitation - den Wiederaufbau des Landes einzuleiten.
Kohabitation würde bedeuten, dass der französische Präsident und der Ministerpräsident des Landes zwei verschiedene politische Richtungen vertreten. In einem solchen Szenario wäre es auch im französischen Präsidialsystem schwierig für Emmanuel Macron, seine innenpolitischen Ziele durchzusetzen. In Frankreich gab es seit 1958 - der Gründung der Fünften Republik - insgesamt drei Kohabitationsperioden.
Bardella will Regierungschef werden
Auch Maréchal zeigte sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem RN. "Es scheint mir offensichtlich, dass die eine Million Wähler von Reconquête an diesem Schwung um das RN teilnehmen müssen", sagte sie nach den Gesprächen mit Bardella und Le Pen.
Beschlossen haben die beiden Parteien aber noch nichts, wie Bardella betonte. Derzeit gehe es lediglich um Diskussionen. Fest steht für den RN aber schon die Rollenverteilung, sollte es bei den vorgezogenen Wahlen für einen Sieg reichen: Bardella solle in diesem Fall Regierungschef werden.
Linke Opposition zieht geschlossen in den Wahlkampf
Doch nicht nur die rechtsgerichteten Parteien Frankreichs erwägen für ein möglichst starkes Abschneiden bei der vorgezogenen Wahl den Schulterschluss. Auch die linken Oppositionsparteien rücken näher zusammen.
Die Sozialisten, Grünen, Kommunisten und die radikalere Partei "Unbeugsames Frankreich" wollen mit gemeinsamen Kandidaten in den kurzen Wahlkampf ziehen. Zudem wollen sie ihre politischen Ziele auf einer gemeinsamen Wahlkampf-Plattform präsentieren. Alle Parteien zusammen waren bei der Europawahl in etwa so stark wie der RN.
Ziel sei es, eine Alternative zu Macron zu präsentieren "und gegen das rassistische Projekt der extremen Rechten zu kämpfen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Chefin der französischen Grünen, Marie Tondelier, sprach von einer "neuen Volksfront", welche die linken Parteien "in Gang gesetzt" hätten.
Schon vor zwei Jahren hatten sich linke Parteien vor den Parlamentswahlen zusammengeschlossen. Das Bündnis war im vergangenen Herbst jedoch im Streit um die Haltung zum Krieg in Nahost zerbrochen.
Sozialisten erheben Führungsanspruch
Durch die Europawahl haben sich die Karten im linken Parteienspektrum neu gemischt. Die Sozialisten mit ihrem Kandidaten Raphaël Glucksmann schnitten stärker ab als die extreme Linke und beanspruchen nun eine Führungsrolle.
Als Kandidaten für das Amt des Premierministers schlug Glucksmann den ehemaligen Gewerkschaftschef Laurent Berger vor. Die extreme Linke mit ihrer bisherigen Führungsfigur Jean-Luc Mélenchon tat das zunächst als rein privaten Vorschlag ab.
Herbe Wahlniederlage für Macrons Lager
Präsident Macron hatte noch am Sonntag angekündigt, die Nationalversammlung aufzulösen und deren Neuwahl ausgerufen. Diese soll in zwei Runden am 30. Juni und 7. Juli abgehalten werden. Macrons eigenes Lager stürzte bei der Europawahl deutlich ab und landete mit 14,6 Prozent der Stimmen auf Platz zwei.
Der Rassemblement National kam auf 31,4 Prozent der Wählerstimmen, die wieder erstarkten Sozialisten auf fast 14 Prozent und die Reconquête erzielte 5,5 Prozent.
Mit Informationen von Cai Rienäcker, ARD-Studio Paris