Nach Misstrauensvoten Frankreich kommt nicht zur Ruhe
Frankreichs Rentenreform ist beschlossen, die Misstrauensvoten gegen die Regierung sind gescheitert - und die Proteste gehen weiter. Dabei wurden mehr als 140 Menschen festgenommen und mehrere Polizisten verletzt.
Nach dem Scheitern der Misstrauensanträge gegen die französische Regierung sind erneut in vielen Städten Menschen gegen die damit beschlossene Reform des Rentensystems auf die Straßen gegangen.
Der Zorn über die Anhebung des Renteneintrittsalters entlud sich teils in Gewalt, insbesondere in der Hauptstadt Paris. Mindestens 142 Menschen wurden festgenommen.
Proteste gegen Rentenreform in Frankreich gehen nach Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes weiter
Rücktritt von Premierministerin Borne gefordert
Elf Polizisten seien in der Nacht verletzt worden, berichtete der Sender BFMTV unter Berufung auf Polizeiquellen. Allein in Paris seien rund 2000 Polizisten im Einsatz gewesen. Auch in anderen Städten wie Saint-Étienne, Straßburg, Amiens, Caen und Toulouse kam es laut "France Info" zu spontanen Demonstrationen.
Einige Demonstranten hätten unter anderem Mülltonnen angezündet und Plakate mit Aufschriften wie "Wir werden auch gewaltsam vorgehen", "Zu den Waffen" oder "Macron Rücktritt" getragen. Politiker von rechts wie links forderten bereits den Rücktritt von Premierministerin Elisabeth Borne.
Reform mithilfe eines Sonderartikels verabschiedet
Die Reform zur schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre war nach der Ablehnung von zwei durch die Opposition eingebrachte Misstrauensanträge verabschiedet worden. Sie gilt als eines der wichtigsten Vorhaben von Präsident Emmanuel Macron. Seit Wochen gibt es in Frankreich immer wieder Streiks und heftige Proteste gegen die Reform.
Vergangenen Donnerstag hatte die Regierung in letzter Minute entschieden, die Reform mit einem Sonderartikel der Verfassung ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung zu drücken. Die Opposition reichte daraufhin die Misstrauensanträge ein.
Opposition kündigt Verfassungsbeschwerde an
Erwartet wird, dass Linke und Rechtsnationale im Streit über die Reform den Verfassungsrat anrufen werden. Sie könnten dort das Vorgehen der Regierung überprüfen lassen, die durch ein beschleunigtes Verfahren die Debattenzeit für die Reform im Parlament verkürzt und die Reform in einem Haushaltstext untergebracht hatte. "Die Regierung hat keine Legitimität mehr, die Premierministerin muss zurücktreten", sagte die Fraktionschefin der Linkspopulisten, Mathilde Panot. Außerdem wollen die Linken versuchen, die Reform mit einem Referendum zu verhindern.
Schon für Donnerstag sind zudem weitere Streiks und Proteste gegen die Reform geplant. Die Gewerkschaften riefen dazu auf, die Mobilisierung zu verstärken, und zwar so lange, bis die Reform zurückgenommen werde, hieß es in einem Aufruf der Gewerkschaft CGT.
Rente ab 67 Jahren - unabhängig von der Einzahldauer
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger.
Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Mit der Reform will die Regierung eine drohende Lücke in der Rentenkasse schließen.