Neuer EU-Vorschlag Mehr Zeit für Osteuropäer bei Öl-Embargo?
Nach heftiger Kritik am geplanten Sanktionspaket gegen Russland könnten Ungarn und die Slowakei bis Ende 2024 Zeit bekommen, um ihre Öl-Einkäufe aus Russland einzustellen. Das sieht offenbar ein neuer Vorschlag der EU-Kommission vor.
Die EU-Kommission geht im Ringen um ein Öl-Embargo gegen Russland offenbar auf osteuropäische Staaten zu. Ungarn, Tschechien und die Slowakei könnten längere Übergangsfristen bis zu einem Stopp der Einfuhren bekommen, sagte ein EU-Diplomat den Nachrichtenagenturen Reuters und dpa. So sollten Ungarn und die Slowakei bis Ende 2024 russisches Öl beziehen können.
Tschechien könnte demnach bis Juni 2024 Zeit bekommen, um den Lieferstopp vollständig umzusetzen. Für den Fall, dass eine alternative Pipeline davor fertiggestellt wird, könnte das Embargo für Prag früher gelten.
Vorschläge können sich noch ändern
Die Vorschläge wurden von den ständigen Vertretern der EU-Staaten diskutiert und können sich noch ändern. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, es sei nicht einfach, Einigkeit herzustellen und das Öl-Embargo schnell umzusetzen. Die Mitgliedstaaten seien unterschiedlich stark vorbereitet auf einen solchen Schritt. "Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Paket auch auf den Weg bringen. Wenn es einen Tag länger dauert, dann dauert es eben einen Tag länger."
Die EU-Kommission hatte einen ersten Entwurf für ein sechstes europäisches Sanktionspaket gegen Russland in der Nacht zum Mittwoch an die Mitgliedstaaten übermittelt. Darin war zunächst vorgesehen, dass die Slowakei und Ungarn noch bis Ende 2023 russisches Öl kaufen dürfen, da sie von den Lieferungen besonders abhängig sind. Alle anderen Länder sollten die russischen Rohöl-Lieferungen in sechs Monaten stoppen und den Bezug von Ölprodukten wie Diesel und Kerosin in acht Monaten.
Orbán: "Atombombe für Wirtschaft"
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte den Vorstoß der Kommission vehement kritisiert. "Er kommt einer Atombombe gleich, die auf die ungarische Wirtschaft abgeworfen wird", sagte der rechtsnationale Politiker im staatlichen Rundfunk.
Nach eigenen Berechnungen bräuchte Ungarn für die Umstellung auf Öl ohne russische Importe fünf Jahre. "Ein Aufschub von einem oder anderthalb Jahren bringt nichts", erklärte Orbán. Ungarn ist in der EU das Land, mit den engsten Beziehungen zu Russland.
Für Tschechien Schritt in die richtige Richtung
Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Auch die Slowakei und Tschechien hatten eine dreijährige Übergangsfrist bei den Öl-Importen gefordert.
Fiala und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten am Donnerstagabend nach einem Treffen in Berlin angekündigt, ihre Zusammenarbeit auf dem Energiesektor auszubauen. Nach Fialas Worten wurde unter anderem über die Möglichkeit gesprochen, die Kapazität der Erdöl-Pipeline TAL zwischen Italien und Deutschland zu erweitern, um Tschechien auf diesem Weg mit ausreichend Öl zu versorgen.
Berlin signalisiert Zustimmung
Die Bundesregierung hat Zustimmung dafür signalisiert, dass einige EU-Länder mehr Zeit bekommen könnten, um ein Öl-Embargo gegen Russland umzusetzen. Eine Regierungssprecherin sagte, der Kanzler habe betont, dass jede Art von Embargo Russland stärker treffen solle als Deutschland oder EU-Partner. In diesem Lichte seien Beratungen über "mögliche Ausnahmen oder Verlängerungen" zu sehen.
Dies sei in keiner Weise ein Hinweis darauf, dass man sich nicht einig wäre, dass harte Sanktionen gegen Russland absolut notwendig seien. Sondern es gehe um die Versorgungssituation in diesen Länder, so die Sprecherin. Es gehe darum, dass diese Länder unterstützt werden, so rasch wie möglich, von russischem Öl und Gas mittelfristig unabhängig zu werden.
Alle Länder müssen zustimmen
Damit das Sanktionspaket umgesetzt werden kann, müssen alle Länder zustimmen. Ziel ist es, das Sanktionspaket am Wochenende zu beschließen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, wenn es am Wochenende keine Einigung der Staaten gebe, werde er nächste Woche ein Außenminister-Sondertreffen einberufen.
Es müsse schnell eine Einigung gefunden werden, sagte Borrell. Er gehe fest davon aus, dass dies erreicht werden könne, obwohl nicht alle EU-Mitglieder in derselben Lage seien.