EU-Parlament Reparaturarbeiten nach Kaili-Skandal
Der Schock sitzt tief im EU-Parlament - auch Wochen, nachdem der Korruptionsskandal um die damalige Vizepräsidentin Kaili öffentlich wurde. Welche Konsequenzen werden inzwischen diskutiert?
Mehr Transparenz, härtere Lobbyregeln, strengere Zugangsbeschränkungen: Mit weitreichenden Reformen versucht das EU-Parlament zu reparieren, was der Korruptionsskandal kaputt gemacht hat.
Zwar sind die Vorwürfe noch längst nicht aufgeklärt. Aber alleine der Verdacht, dass aktive und frühere Europaabgeordnete für politische Gefälligkeiten Schmiergeld aus Katar oder Marokko kassiert haben, ist für die europäischen Volksvertreter ein einziges Desaster.
"Diese kriminellen Vorgänge schaden der Demokratie, sie schaden Europa und sie schaden allem, wofür wir stehen", sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola vor knapp einem Monat. "Innerhalb weniger Momente" sei ein über Jahre aufgebautes Vertrauen zerstört worden - nun müsse es wiederhergestellt werden. "Und diese Arbeit beginnt jetzt.“
Mehr Kontrollen, mehr Transparenz
Damals hatte die belgische Polizei bei einer Großrazzia anderthalb Millionen Euro Bargeld beschlagnahmt und mehrere Verdächtige festgenommen, darunter die griechische Sozialdemokratin Eva Kaili, eine von Metsolas Stellvertreterinnen.
Als Konsequenz will das EU-Parlament seine ohnehin schon vergleichsweise strengen Vorschriften weiter verschärfen sowie eine Anmeldepflicht für alle Besucher einführen. Und: Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter sollen sämtliche Treffen mit Vertretern aus Drittstaaten künftig öffentlich machen.
Vorschlag: Vermögensverhältnisse offenlegen
Antikorruptionsorganisationen wie Transparency International oder Lobby Control halten die Pläne der Parlamentspräsidentin für einen richtigen Schritt, dem allerdings weitere folgen müssten. Das findet auch der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund. Zum Beispiel sollten die Parlamentarier am Anfang und am Ende der Legislaturperiode ihre Vermögensverhältnisse offenlegen.
Wenn man sich "mit Koffern voller Bargeld" habe bestechen lassen, werde es nur noch schwer möglich sein, mit diesem Geld "irgendwas anzufangen und sich ein Ferienhaus oder einen Sportwagen zu kaufen". Denn das würde dann über die entsprechenden Meldungen ans Licht kommen, ist Freund überzeugt.
Teil der Antikorruptionsreformen sollte nach Ansicht vieler Abgeordneter auch ein besserer Schutz für sogenannte Whistleblower sein, damit Parlaments-Insider, die auf Missstände hinweisen, keine beruflichen Nachteile fürchten müssen.
Mitarbeiter bekämen es eben oft mit, wenn sich Abgeordnete illegal verhalten, und "mit den Geldern tricksen". Wenn sie Korruption oder den Missbrauch seitens der eigenen Chefin oder des eigenen Chefs meldeten, bräuchten sie Schutz. "Nur so kann oft solchen Fällen begegnet werden, damit sie dann auch vor Gericht landen", sagt Freund.
Verlust von Rentenansprüchen?
Der Fraktionschef der Christdemokraten, Manfred Weber, schlägt vor, korrupten Parlamentariern darüber hinaus Rentenansprüche zu streichen. Auch die europäischen Sozialisten denken über weitergehende Reformen nach und planen eine interne Untersuchung der Vorgänge, am besten durch ein unabhängiges Gremium. Schließlich stammen aktuell alle Verdächtigen aus dem Umfeld der Sozialdemokratie.
Gabriele Bischoff von der deutschen Europa-SPD sagt, ihre Fraktion sei "total erschüttert", es sei "viel Vertrauen verloren gegangen". Nun schaue man, wie es sein konnte, "dass sich da so ein Netzwerk etabliert hat". Und wo intern "Warnmechanismen" erforderlich seien, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passieren könne.
Ermittlungen noch nicht am Ende
Die belgischen Justizbehörden treiben ihre Ermittlungen in der Zwischenzeit voran und haben die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von zwei weiteren EU-Abgeordneten beantragt. Die beiden Sozialdemokraten, einer aus Belgien, der andere aus Italien, bestreiten aber, in den Fall verwickelt zu sein.
Das Europaparlament will zeitnah über die Anträge der Staatsanwaltschaft entscheiden und am Mittwoch die Nachfolge der früheren Vizepräsidentin Kaili regeln, die nach wie vor in Untersuchungshaft sitzt.
Die besten Chancen bei der Neubesetzung des prestigeträchtigen Postens werden dem Luxemburger Marc Angel eingeräumt, der ebenfalls der sozialdemokratischen Fraktion angehört.
Eine Reise mit Folgen
Und noch ein Parlamentsamt ist gerade freigeworden: Die belgische Sozialistin Marie Arena musste als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses zurücktreten, weil sie sich vom Emirat Katar im vergangenen Mai zu einer Reise in die Hauptstadt Doha hatte einladen lassen, ohne den Trip ordnungsgemäß beim Parlament anzumelden.
Zwar wird gegen Arena nicht offiziell ermittelt, sie soll aber eine enge Vertraute des italienischen Ex-Abgeordneten Pier-Antonio Panzeri sein. Und der gilt in diesem Schmiergeld-Skandal als Schlüsselfigur.