Besuch bei Putin und Xi EU reagiert mit Ungarn-Boykott auf Orbans Reisen
Quittung für Ungarns Regierungschef Orban: Auf seine jüngsten Alleingänge in der Ukraine-Politik reagiert EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mit einer Boykott-Entscheidung. Die Reaktion aus Budapest folgte prompt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagiert mit einer Boykott-Entscheidung auf die Alleingänge von Ungarns Regierungschef Viktor Orban in der Ukraine-Politik. Die deutsche Spitzenpolitikerin ließ ankündigen, dass an künftigen informellen Ministertreffen unter der Leitung der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft in Ungarn keine Kommissarinnen oder Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden.
Zudem verzichtet die EU-Kommission auf den traditionellen Antrittsbesuch bei der ungarischen Präsidentschaft, sagte ihr Sprecher Eric Mamer.
Orbans "Friedensmission"
Hintergrund der Entscheidung von der Leyens ist eine mit der EU nicht abgestimmte Auslandsreise Orbans wenige Tage nach dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Orban hatte dabei in Moskau Kremlchef Wladimir Putin getroffen und dies als "Friedensmission" zur Lösung des Ukraine-Konflikts inszeniert. Später reiste er nach Peking zu einem Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie in die USA zu einem Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump.
Die Reisen stießen auf großen Unmut in der EU - vor allem, weil der Kreml den Moskau-Besuch für seine Propaganda ausschlachten konnte und Orban bei der Reise in der Ukraine-Politik nicht klar die EU-Position vertrat. Die Europäische Kommission machte mehrfach klar, dass Orban nicht im Namen der Staatengemeinschaft unterwegs sei.
"Ungarische Alleingänge"
Auch aus dem Auswärtigen Amt in Berlin kam deutliche Kritik. "Das sind ungarische Alleingänge, die wir mit großer Verwunderung und Skepsis zur Kenntnis nehmen", sagte ein Sprecher vergangenen Freitag. Orban spreche auf diesen Reisen ausschließlich für sich selbst - und nicht für die Europäische Union. Zu möglichen Konsequenzen sagte der Sprecher, man müsse sehen, wie die ungarische Ratspräsidentschaft weiter laufe. "Sie hat schon großen Flurschaden hinterlassen."
Manche Länder zogen bereits Konsequenzen
Litauen und Schweden hatten als Reaktion auf die Alleingänge Orbans zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft bereits angekündigt, vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn zu schicken. Das ungarische Vorgehen sei schädlich und müsse Konsequenzen nach sich ziehen, erklärte Schwedens derzeitige EU-Ministerin und designierte EU-Kommissarin Jessika Roswall. Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen wollen Roswalls Angaben zufolge ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren.
Derzeit wird zudem in Brüssel diskutiert, ob ein eigentlich für Ende August in Budapest geplantes informelles EU-Außenministertreffen nicht nach Brüssel verlegt werden sollte. Eine Entscheidung könnte beim letzten regulären EU-Außenministertreffen vor der Sommerpause am kommenden Montag von EU-Chefdiplomat Josep Borrell getroffen werden. Er sitzt den EU-Außenministertreffen vor und ist auch dafür zuständig, dazu einzuladen.
Ungarn entrüstet über Boykott-Entscheidung
Ungarns Regierung reagierte entrüstet über die Entscheidung von der Leyens. "Die EU-Kommission kann sich nicht Institutionen und Minister aussuchen, mit denen sie kooperieren will. Sind alle Beschlüsse der Kommission nun auf politische Erwägungen gegründet?", schrieb Ungarns Minister für EU-Angelegenheiten, Janos Boka, auf der Online-Plattform X.
Kurz vor Abstimmung über zweite Amtszeit
Die Entscheidung der EU-Kommission erfolgt wenige Tage vor der Abstimmung über eine zweite Amtszeit von der Leyens im Europäischen Parlament. Europäische Parteienfamilien wie die Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hatten sie in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, einen härteren Kurs gegenüber Ungarn einzuschlagen. Auf die Stimmen aus diesem Lager ist von der Leyen bei der Wahl am Donnerstag angewiesen.
Ungarn hat seit dem 1. Juli für ein halbes Jahr turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land bereitet in dieser Rolle unter anderem Treffen der Fachministerinnen und Fachminister vor. Bei diesen informellen Treffen kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs aus den 27 EU-Ländern zusammen. Auch der fachlich zuständige EU-Kommissar nimmt für gewöhnlich an dem Treffen teil.