Besuche in Moskau und Peking "Erheblicher Flurschaden" nach Orbans Alleingängen
Nach weniger als zwei Wochen ungarischer EU-Ratspräsidentschaft beklagt das Auswärtige Amt erheblichen Schaden. Auch andere EU-Staaten sind verärgert - Schweden und Litauen wollen vorerst keine Minister mehr zu Ratstreffen in Budapest schicken.
Die neue ungarische EU-Ratspräsidentschaft hat nach Einschätzung eines Sprechers des Auswärtigen Amtes bereits erhebliche Schäden verursacht. "Wir sind jetzt an Tag zwölf und sie hat schon einen großen Flurschaden hinterlassen", so der Sprecher. Mit Blick auf die umstrittenen Reisen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, etwa nach Moskau und Peking, verwies der Sprecher darauf, dass die ungarische Regierung offizielle Videos über die Reisen mit dem Logo der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft versehe. Dies stehe im Widerspruch dazu, dass Orban keinen Auftrag habe, für die EU zu sprechen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hatte gefordert, Ungarn die Ratspräsidentschaft wieder zu entziehen. Dem Sprecher des Auswärtigen Amts nach existieren entsprechende Pläne nicht.
Andere EU-Staaten ziehen für sich Konsequenzen. Einem Medienbericht zufolge will nun auch Litauen als Reaktion auf die Aktivitäten Orbans vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken. Diesen Schritt ging Schweden bereits am Donnerstag. "Wir haben uns vorerst einfach dazu entschieden, unsere Beteiligung auf politischer Ebene in Ungarn einzuschränken", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im litauischen Parlament, Zygimantas Pavilionis, der Nachrichtenagentur BNS.
EU-Gipfel auf der Kippe?
"Wir schließen uns denen an, die mit dieser Position unzufrieden sind", sagte Pavilionis dem Bericht zufolge. Auch Estland und Lettland wollten ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren, meldete BNS weiter - ohne Details und Quellen zu nennen.
Litauen plant dem Bericht zufolge, stellvertretende Kabinettsmitglieder zu entsenden. Noch nicht entschieden sei, ob Staatspräsident Gitanas Nauseda an einem EU-Gipfel in Budapest teilnehmen werde, wurde ein Sprecher der Präsidialkanzlei zitiert. Die litauische Position dazu werde mit den EU-Partnern abgestimmt.
Das ungarische Vorgehen sei schädlich und müsse Konsequenzen nach sich ziehen, teilte Schwedens derzeitige EU-Ministerin und designierte EU-Kommissarin Jessika Roswall mit. Schweden werde sich daher im Juli lediglich auf Beamtenebene an informellen Treffen in Ungarn beteiligen. Neben den von litauischer Seite gemeldeten Estland und Lettland wollten Roswalls Angaben zufolge auch Finnland, Litauen und Polen ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren. Zudem liefen in weiteren Ländern Diskussionen darüber.
Treffen Orbans mit Trumps
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson hatte Orbans Reise nach Moskau bereits kurz nach Bekanntwerden als "verantwortungslos und illoyal" kritisiert. Nun legte er nach: Orban missbrauche die EU-Ratspräsidentschaft und kidnappe sie für seine eigenen Zwecke, so Kristersson am Rande des NATO-Gipfels in Washington.
Kritik kam auch von der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Für die Außenpolitik spreche der EU-Außenbeauftragte, sagte die Grünen-Politikerin auf eine Frage nach einem Treffen Orbans und Trumps. "Und wenn man dann anders agiert, dann ist es klar, dass alle anderen nicht nur irritiert sind - sondern deutlich machen, dass das nicht die Haltung der Europäischen Union ist."
Das ungarische Außenministerium hatte die Absage eines ursprünglich für Montag geplanten Besuchs Baerbocks mit einer "unvorhergesehenen Änderung im Terminkalender" ihres Amtskollegen Peter Szijjarto begründet.
Turnusgemäßer Wechsel alle sechs Monate
Bundeskanzler Olaf Scholz wies am Donnerstag darauf hin, dass Orban nur als ungarischer Ministerpräsident reise und nicht für die EU spreche. Dies müssten alle Gesprächspartner wissen.
Ungarn hat seit Anfang Juli die EU-Ratspräsidentschaft inne, die turnusmäßig alle sechs Monate zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten wechselt. Das bedeutet auch, dass Ungarn eine Reihe von informellen Ministertreffen in Budapest abhalten wird. Dabei kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs aus den einzelnen Ländern zusammen.