EU-Asylreform Ein Signal der Handlungsfähigkeit
Die EU-Asylreform bedeutet eine deutlich härtere Migrationspolitik - selbst gegenüber Familien mit Kindern. Doch das Scheitern einer gemeinsamen Politik wäre ein Armutszeugnis gewesen - und nicht zum Vorteil der Migranten.
In Brüssel mangelte es heute nicht an Pathos und Feierstimmung. Von einer "historischen Einigung" spricht Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola erklärte, es sei ein Weg gefunden worden, der sowohl die Grenzen respektiert als auch fair und menschlich mit denen umgeht, die Schutz benötigen. "Und der standhaft gegenüber denen ist, die keinen Anspruch darauf haben, und der stark gegen die Menschenhändler ist, die die schwächsten Menschen auf unserem Planeten ausbeuten", ergänzte Metsola.
Das ist in schönen Worten der Plan hinter der EU-Asylreform, der vor allem eines bedeutet: eine deutlich schärfere Gangart in der Migrationspolitik. Deutlich weniger Menschen sollen nach Europa kommen und deutlich weniger sollen länger bleiben.
Schnelle Asylverfahren an Außengrenzen entscheidend
Dreh- und Angelpunkt hierfür sind die schnellen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, etwa in Italien, Griechenland, Bulgarien oder Rumänien. Alle Migranten, die wenig Chancen auf Asyl haben, weil sie aus einem Land kommen, deren Bürger eine Anerkennungsquote von unter 20 Prozent in der EU haben, sollen in diesen Lagern ein Asylverfahren in maximal zwölf Wochen bekommen. Dazu gehören etwa Menschen aus Marokko, Tunesien, Bangladesch oder Pakistan.
An der Weiterreise werden sie durch Grenzzäune gehindert. Aus einem einfachen Grund, so die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Lena Düpont: "Damit wir frühstmöglich eine Unterscheidung vollziehen können zwischen Schutzberechtigten und Nicht-Schutzberechtigten. Diejenigen, die schutzberechtigt sind, werden innerhalb der Europäischen Union nach einem Solidaritätsmechanismus verteilt, der auch die Verantwortung unter dem Mitgliedstaaten fair verteilt." Diejenigen, die nicht schutzberechtigt sind, würden von der Außengrenze aus konsequent zurückgeführt werden.
Verpflichtende Umverteilung und schnelle Rückführung
Damit spricht Europaparlamentarierin Düpont zwei Punkte an, mit denen der Erfolg des Pakts wohl steht und fällt. Einerseits Solidarität unter den EU-Staaten - bisher war es damit nicht weit her. Künftig sollen pro Jahr bis zu 30.000 Menschen verpflichtend umverteilt werden. Das soll Ankunftsländer wie Italien verbindlich entlasten. Und ebenso Zielländer wie Deutschland, wo aktuell mit Abstand am meisten Asylanträge gestellt werden.
Dann die schnellen Rückführungen: Es ist ein Plan, bei dem Europa bisher recht hilflos ist. Daher braucht es künftig noch viel mehr "sichere Drittstaaten", die Abkommen und Deals eingehen und Migranten in großer Zahl zurück- beziehungsweise aufnehmen. Am besten ohne Menschenrechtsverstöße, wie sie derzeit jedoch häufig entdeckt werden.
Menschenrechte geachtet?
Künftig, so spricht Birgit Sippel, die SPD-Innenexpertin im Europaparlament, über die Errungenschaften des beschlossenen Pakts, wird es für die EU-Asylverfahren einen Überwachungsmechanismus für Grundrechte geben: "Wir haben sichergestellt, dass das Asylrecht gewahrt und Menschenrechte geachtet werden. Und wir haben besondere Schutzregeln für Minderjährige durchgesetzt."
Doch bei dem Thema zeigen sich Menschenrechtsorganisationen sowie das Kinderhilfswerk heute besonders empört. Eine der symbolträchtigsten Härten dieser Asylreform ist der Umgang mit Familien mit kleinen Kindern. Auch sie - selbst mit sehr kleinen Kindern - müssten demnach künftig in den haftähnlichen Grenzlagern ausharren, wenn sie europäischen Boden betreten und wenig Aussicht auf Asyl haben.
Solche Bilder mutet der Pakt für Asyl und Migration den Europäerinnen und Europäern künftig erst recht zu. Sehr zum Ärger des grünen Migrationsexperten Erik Marquart: "Unter dem Strich wurde hier eine Asylreform beschlossen, die maßgebliche Asylrechtsverschärfungen enthält. Und die wahrscheinlich nicht dazu beiträgt, dass es eine gerechtere Verteilung oder schnellere Integration derjenigen gibt, die Schutz bekommen in Europa."
Keine Reform wäre Armutszeugnis
Über diesen Zielen stand aber für die 27 EU-Staaten aktuell ein Signal der Handlungsfähigkeit - auch aufgrund der Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung.
Man überlege sich das Gegenteil: Hätte die EU es nicht hinbekommen, einen neuen, an die Realität angepassten, gemeinsamen Weg in der Migrationspolitik aufzustellen - das wäre ein Armutszeugnis gewesen und nicht zwingend zum Vorteil vieler Migrantinnen und Migranten. Aber erst recht Wind auf die Mühlen der Rechtspopulisten.