EGMR-Entscheidung Klimaschutz - ein Menschenrecht
Mit dem EGMR-Urteil zugunsten der Aktivistinnen aus der Schweiz ist klar: Klimaschutz ist eine Menschenrechtsfrage und kann vor Gericht eingeklagt werden. Allerdings müssen Kläger auf bestimmte Weise vorgehen.
Es sind drei Klagen, über die heute in Straßburg entschieden wurde. Eine ist vom Verein der Schweizer Klimaseniorinnen - 2.000 Schweizerinnen, die darauf hinweisen, dass der Klimawandel besonders ältere Frauen belaste. Außerdem hatten Jugendliche und junge Erwachsene aus Portugal sowie ein Oberbürgermeister einer französischen Gemeinde am Atlantik geklagt.
Sie alle argumentierten ähnlich: Ihre Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention werden verletzt, wenn die Staaten nicht mehr gegen den Klimawandel tun. Bei Waldbränden und Überschwemmungen seien allein in ihren Heimatländern schon viele hundert Menschen ums Leben gekommen. Das Spektakuläre an der Klage der Portugiesen: Sie hatten 32 Staaten in Europa verklagt - direkt in Straßburg, ohne vorher in ihrem eigenen Land den Rechtsweg zu beschreiten, wie das sonst üblich ist.
Ihre Klage hatte aber keinen Erfolg. Der Gerichtshof sagt, dass die Jugendlichen nicht beliebig viele Staaten verklagen können, die über ihr Leben in Portugal keine Herrschaftsgewalt hätten. Das wäre eine zu weitgehende Haftung von Staaten für die Folgen des Klimawandels in anderen Ländern. Und in Portugal selbst hätten die Jugendlichen sich erst an die Gerichte wenden müssen.
Verbandsklage ist zulässig
Als großer Erfolg muss hingegen die Klage der Schweizer Klimaseniorinnen gegen die aus ihrer Sicht mangelhafte Schweizer Klimapolitik betrachtet werden. "Das ist der beste Tag, das wird Geschichte schreiben", sagte die Klimaseniorin Ruth Saxer nach der Urteilsverkündung.
Und in der Tat hat Straßburg sehr weitgehend geurteilt: Es gebe, so der Gerichtshof, ein Recht aus der Menschenrechtskonvention, wonach Vereine im Namen von vom Klimawandel Betroffenen einen besseren Klimaschutz einklagen können.
Ein großer Erfolg sei das, meint der Jura-Professor Gerd Winter. Er hatte in dem Verfahren verschiedene Umweltverbände als Verfahrensbeteiligte vertreten. Das Gericht habe bei der Schweizer Klage erstmals die Verbandsklage zugelassen, betont Winter: "Bisher konnten nur einzelne Personen klagen. Und das Gericht hat akzeptiert: Klimaschutz ist etwas anderes, Klimawandel betrifft sehr viele und da sollte man die Interessen bündeln können. Aber nur in der Form von Verbänden."
Für den Verband gibt es Regeln
Vereine, die im Namen des Klimaschutzes klagen, müssten aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen, erklärt er. "Das Erste ist: Das Ziel des Verbandes muss der Klimaschutz sein. Das Zweite ist: Der Verband muss schon seit einiger Zeit bestehen. Und das Dritte ist: Er muss so aufgebaut sein, dass er seine Mitglieder auch wirklich repräsentieren kann."
Der Straßburger Gerichtshof betont: Klimawandel ist eine gemeinsame Sorge der Menschheit. Dafür sei die Politik verantwortlich, aber ergänzend auch Gerichte in den einzelnen Staaten und der Menschenrechtsgerichtshof.
Die Staaten seien für die negativen Folgen des Klimawandels für Leben, Gesundheit und Lebensqualität verantwortlich. Und wegen der ursächlichen Beziehung zwischen staatlichem Handeln - oder Unterlassen - und den Klimafolgen, müssten Einzelne oder Vereine besseren Klimaschutz als ein Menschenrecht einklagen können.