EGMR spricht Urteil Hat die Klimaklage von sechs Jugendlichen Erfolg?
Portugiesische Jugendliche werfen 32 Staaten vor, sich nicht ausreichend an das Pariser Klimaabkommen zu halten. Deshalb haben sie Klage eingereicht. Heute spricht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil.
Sommer 2017, rund 200 Kilometer nördlich von Lissabon: Der Wald steht in Flammen, mehr als 60 Menschen sterben allein bei diesem Brand, Hunderte verlieren ihr Zuhause. Der 16-jährige André dos Santos Oliveira aus Lissabon war damals neun Jahre alt. Er erinnert sich noch genau an diesen Tag, erzählt er bei einer Online-Pressekonferenz: "Ich weiß noch, wie ich voller Angst vor dem Fernseher saß, als ich all die Zerstörung und die Toten gesehen habe."
Drei Jahre nach den Waldbränden, im Herbst 2020, reicht André mit fünf weiteren Jugendlichen eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ein. Mit dabei ist auch seine ältere Schwester Sofia dos Santos Oliveira. Ihr sei es wichtig, jetzt etwas zu verändern.
"Die Klimakrise und dass die Regierungen es nicht schaffen, unsere Zukunft zu schützen, bereiten mir große Sorgen. Und wir müssen an die Zukunft denken. Wenn es jetzt passiert und so extrem ist, wie wird es dann in 30 Jahren sein?
Klimaangst sorgte für die Klage
Eine britische Menschenrechtsorganisation unterstützt Sofia und die anderen bei ihrer Klage. Ihr Ziel ist es, zu erreichen, dass die Staaten ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einhalten - um die Erderwärmung zu begrenzen. Ungewöhnlich an der Klage ist nicht nur, dass die Kläger so jung sind, sondern auch, dass so viele Länder auf einmal verklagt werden: die Mitgliedsstaaten der EU, Norwegen, Russland, die Schweiz, die Türkei und das Vereinigte Königreich.
Dass die bisherigen Schritte der Regierungen nicht ausreichten, sei in ihrem Heimatland Portugal schon jetzt zu spüren, sagen die Geschwister André und Sofia: "Wir hatten den heißesten Februar jemals, den heißesten März jemals und traurigerweise gewöhnen wir uns an diese Extreme", sagt André. Das sei "total befremdlich".
Seine Schwester berichtet von einem kleinen Tornado, den es vergangene Woche in Lissabon gegeben habe. "Ich dachte, dass er Lissabon nie erreichen würde, aber das hat er. Das hat bei mir eine Klimaangst ausgelöst, am meisten Angst machen mir nämlich Tornados, Taifune und Hitzewellen."
"Ein starkes Signal des Gerichts"
Bei der Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof vergangenes Jahr wiesen die Staaten die Klage zurück. Der Vertreter Portugals sagte, der behauptete Schaden sei "zu abstrakt".
Gerry Liston, einer der Anwälte der jungen Portugiesinnen und Portugiesen, interpretiert das bisherige Verhalten des Gerichtshofs aber als positives Zeichen. Denn: Dass die Klage der Jugendlichen nicht gleich abgewiesen wurde, war etwas überraschend. Normalerweise verlangt das Gericht, dass zunächst im Heimatland ein Prozess geführt wird - doch diese Klage hat das Gericht sogar priorisiert: "Etwa 85 Prozent der Fälle werden bei ihrer ersten Einreichung beim Gericht sofort als unzulässig abgewiesen. Und von den verbleibenden 15 Prozent kommt nur ein winziger Bruchteil vor die Große Kammer. Das war also von Anfang an ein starkes Signal des Gerichts."
Sollte die Klage Erfolg haben, wären die Staaten verpflichtet, mehr für den Klimaschutz zu tun. Außerdem könnte der Fall ein Vorbild sein für weitere Klimaklagen gegen Staaten.