Schüsse an EU-Außengrenze? Bulgarien dementiert, EU fordert Aufklärung
Was genau passiert an den EU-Außengrenzen? Von Pushbacks ist seit Langem die Rede, in Bulgarien soll im Oktober auf einen Flüchtling geschossen worden sein. Der Innenminister des Landes dementiert das, Europapolitiker fordern Aufklärung.
Wird an der EU-Außengrenze scharf geschossen? Dieser Verdacht steht im Raum, nachdem europäische Medien ein Video veröffentlicht haben: Es zeigt, wie ein junger Syrer am 3. Oktober am Grenzzaun zwischen Bulgarien und der Türkei angeschossen wird.
Die bulgarischen Behörden dementieren, dass von ihrer Seite ein Schuss abgegeben wurde. Innenminister Iwan Demerdzhiew verwies gestern stattdessen auf Gewalt, die von Flüchtlingen ausgehe:
Migranten, die versuchen, illegal in unser Territorium einzudringen, werden immer aggressiver. In manchen Fällen benutzen sie Steine, Messer und andere Waffen. Ein bulgarischer Polizist kam ums Leben. Wer erwartet, dass unsere Polizei auf diese Handlungen nicht reagiert und das Leben und die Gesundheit der bulgarischen Grenzpolizisten nicht schützt, der irrt sich.
Vor rund einem Monat war ein bulgarischer Polizist an der Grenze erschossen worden. Die türkische Polizei nahm in diesem Zusammenhang zwei Drogenschmuggler fest. Stand jetzt gibt es keinen Zusammenhang zu Geflüchteten. In den vergangenen Wochen ist es auf bulgarischen Straßen aber immer wieder zu schweren Unfällen mit Schlepperfahrzeugen gekommen. Bei einem davon kamen zwei Polizisten ums Leben.
Viermal so viel versuchte Grenzübertritte
Bulgarien bekommt die steigende Zahl der versuchten Grenzübertritte in die EU also voll zu spüren. In diesem Jahr gab es bisher schon 150.000 Versuche und damit viermal mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig machen andere EU-Staaten Druck: Österreich zum Beispiel kritisiert immer wieder, dass zu viele Migranten durch Bulgarien in die EU einreisen.
Muss Bulgarien also mehr Härte zeigen? Der EU-Parlamentarier Erik Marquardt hält dagegen: "Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren den Fehler gemacht haben zu glauben, dass es wichtig ist, dass immer weniger Geflüchtete in den Statistiken auftauchen und an den Außengrenzen ankommen."
"Die Leute müssen ihre Menschenwürde behalten"
Am Ende müsse es darum gehen, so Marquardt, dass an der Außengrenze rechtsstaatlich geschaut wird: Wer hat dort Asyl bekommen und wer nicht? "Die Leute müssen Asylanträge stellen dürfen. Sie müssen aber auch ihre Menschenwürde behalten dürfen an der europäischen Außengrenze."
Zum Schusswechsel an der bulgarischen Grenze fordert Marquardt nun unabhängige Aufklärung. Während Bulgarien dabei bleibt, dass es keine Beweise für Schüsse von seiner Seite gibt, legen die Recherchen europäischer Medien etwas anderes nahe: Einer forensischen Tonanalyse zufolge kam der Schuss wahrscheinlich aus Richtung Grenzzaun, aus etwa rund 30 Meter Entfernung.
Sollte es nur ein Warnschuss sein?
Der britische Militärexperte Charlie McGrath verweist drauf, dass aus dieser Distanz nur Gewehre präzise sind, kleinere Waffen aber nicht. "Da kann man um einen halben bis ganzen Meter abweichen. Es kann als Warnschuss gedacht sein und eine Person treffen."
Es bleibt also vorerst unklar, was genau sich an der Grenze zugetragen hat. Nachdem Pushbacks und Gewalt an Europas Außengrenzen aber immer wieder kritisiert werden, fordert Erik Marquardt, dass die EU genauer hinschaut, was dort passiert:
Ich finde aber auch wirklich skandalös, dass all diese Vorfälle immer erst herauskommen, wenn Investigativ-Recherchen das aufdecken.