Eine Frau verlässt eine Wahlkabine in der rumänischen Hauptstadt Bukarest

Wahlwiederholung in Rumänien "Manipulation hat in keinem Land ein solches Ausmaß"

Stand: 06.12.2024 17:48 Uhr

Eigentlich hätte es in Rumänien am Sonntag eine Stichwahl um das Präsidentenamt geben sollen. Die ist abgesagt. Das Verfassungsgericht annullierte den ersten Wahlgang - wegen massiven Einflusses von außen.

Das rumänische Verfassungsgericht versetzt das Land erneut in eine nie da gewesene Situation. Die obersten Richter erklärten heute in einem historischen Urteil die Präsidentenwahl für ungültig, nachdem sie die Ergebnisse Anfang der Woche noch bestätigt hatten. Hintergrund dürften Dokumente der Geheimdienste sein, denen zufolge Rumänien Ziel eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs" geworden sei.

Profitiert haben soll davon allen voran der rechtsextreme parteilose Kandidat Calin Georgescu. Der Verfassungsexperte Liviu Draganescu hält die Entscheidung der Richter für richtig: "Es erscheint fair, das gesamte Verfahren zu annullieren, nicht nur die erste Runde der Präsidentschaftswahlen, weil die Informationen des Obersten Rates für Landesverteidigung zeigen, dass es staatliche und nicht-staatliche Eingriffe in den Wahlprozess in Rumänien gab."

Rechtsextremer Kandidat profitierte

Die Geheimdienste hatten unter anderem festgestellt, dass Tausende zuvor inaktive TikTok-Konten vor der Wahl plötzlich angefangen hatten, Georgescus Inhalte massenhaft zu verbreiten. Obwohl sein Konto nur wenige Abonnenten hatte, wurden seine Videos teils millionenfach angeschaut. Zudem soll Georgescu falsche Angaben über die Finanzierung seines Wahlkampfes gemacht haben. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Der politische Analyst Valeriu Turcan hält das Ausmaß der Manipulation für neu: "Es gab auch andere Länder, in denen Wahlen von außen angegriffen wurden", sagt er im Sender Antena 1, "aber in keinem anderen Land hat die Manipulation ein solches Ausmaß erreicht wie in Rumänien."

Regierung soll neuen Wahltermin festlegen

Wie es nun weitergeht, ist unklar. In ausländischen Wahllokalen wird schon seit dem Mittag gewählt. Diese Abstimmungen werden nun voraussichtlich gestoppt. Laut Verfassungsgericht soll die Regierung einen neuen Wahltermin festlegen. Allerdings wurde gerade erst ein neues Parlament gewählt. Und der neue Präsident wäre eigentlich dafür zuständig gewesen, die Regierungsbildung in Auftrag zu geben.

Jetzt herrsche Ungewissheit, so Lucian Romascanu von der sozialdemokratischen Partei: "Normalerweise endet das Mandat der Regierung, wenn das nächste Parlament bestätigt wird und eine neue Mehrheit gebildet werden muss, die vom neuen Präsidenten einberufen wird", erklärt er. "Hier befinden wir uns in einer Situation der Ungewissheit, ob die Möglichkeit besteht, dass der rumänische Präsident sein Mandat für Ausnahmesituationen verlängert oder ob es in der nächsten Periode einen Interimspräsidenten geben wird in der Person des Senatsvorsitzenden."

Protest gegen Urteil: "Demokratie mit Füßen getreten"

Die Sozialdemokratische Partei begrüßte das Urteil der Verfassungsrichter. Deutliche Kritik kommt hingegen von anderen Parteien. Darunter von der liberalen USR. Deren Kandidatin Elena Lasconi wäre am Sonntag in der Stichwahl gegen Calin Georgescu angetreten. "Heute ist der Moment, in dem der rumänische Staat die Demokratie mit den Füßen getreten hat. Gott, das rumänische Volk, die Wahrheit und das Recht werden sich aber durchsetzen und man wird diejenigen finden, die schuldig sind an der Zerstörung unserer Demokratie", ist sich Lasconi sicher. "Es geht hier nicht um mich. Die Demokratie bricht zusammen. Ihr zerstört die Demokratie. Ihr stürzt das Land in die Anarchie."

Lasconi räumt ein, dass die Wahl nicht frei war. Das Eingreifen des Gerichts hält sie dennoch für falsch. Der rechte Politiker George Simion sprach sogar von einem Staatsstreich. Auch Simion war in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl angetreten. Er und alle anderen Kandidaten für die Wahl müssen sich nun erneut für den Wahlvorgang registrieren. Das Verfassungsgericht wird dann entscheiden, welche Kandidaten für die Wahl zugelassen werden.

Silke Hahne, ARD Wien, tagesschau, 06.12.2024 17:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Informationen am Abend" am 06. Dezember 2024 um 18:10 Uhr.