Asylpolitik in der Kritik London startet ersten Abschiebeflug nach Ruanda
London will illegal Eingereiste verschiedenster Nationalitäten nach Ruanda abschieben. Der erste Flug soll noch am Abend starten. Die juristische Auseinandersetzung wie auch die Proteste gehen weiter.
Für das britische Innenministerium ist es ein bedeutender Sieg. Auch wenn die juristische Auseinandersetzung noch weitergehen wird: Der erste Abschiebeflug ins 6500 Kilometer entfernte Ruanda kann heute starten.
Staatssekretär Tom Pursglove machte im Unterhaus noch einmal deutlich, wie die Regierung ihre umstrittene Asylpolitik begründet: "Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher und Menschen die gefährliche Überquerung des Ärmelkanals machen lassen, organisiert von kriminellen Banden, die den Leuten ihr Geld abnehmen und sich nicht darum kümmern, ob sie hier sicher ankommen. Deshalb muss das aufhören."
"Schlepper sind die bösartigsten Leute"
Diese Ansicht vertritt auch der konservative Abgeordnete Peter Bone, der in der Vergangenheit dem überparteilichen Arbeitskreis gegen Menschenhandel vorstand. Er hält die Abschiebungen für geradezu geboten, um den Schleppern das Handwerk zu legen: "Das ist moralisch absolut richtig. Ich habe jahrelang gegen die Schlepper gekämpft. Das sind die bösartigsten Leute dieser Welt. Alles, was wir tun können, um sie zu stoppen, sollten wir tun."
Und so setzt die britische Regierung auf Abschreckung. Die Perspektive, am Ende in Ruanda zu landen, soll Flüchtlinge davon abhalten, überhaupt erst nach Großbritannien zu kommen. Die britische Regierung hat einen 120 Millionen Pfund schweren Deal mit Ruanda geschlossen. Dafür sollen die Menschen verschiedenster Nationalitäten, die Großbritannien abschiebt, in Ruanda unter anderem eine Unterkunft und ein Asylverfahren erhalten.
Zahlreiche Organisationen und Prominente gegen Pläne
Mehr als 160 Wohltätigkeitsorganisationen und Aktivistengruppen haben die Regierung aufgefordert, die Abschiebepläne fallenzulassen. Auch hochrangige Kirchenvertreter üben Kritik. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, sagte in einer Predigt: "Die Details sind Sache der Politik und der Politiker. Das Prinzip muss dem Urteil Gottes standhalten, und das kann es nicht."
Auch Prinz Charles lehnt die Ruanda-Abschiebungen offenbar ab. Die "Sunday Times" will erfahren haben, dass er sie in einem privaten Gespräch als "abscheulich" bezeichnet hat. Zudem haben Dutzende Personen, darunter Musiker, Schriftsteller und die Fußball-Legende Gary Lineker mehrere Fluggesellschaften angeschrieben und sie aufgefordert, keine Abschiebeflüge durchzuführen.
James Wilson von Detention Action, einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge und Asylbewerber, sagte dem Sender BBC: "Niemand sollte dafür bestraft werden, um Asyl zu bitten. Großbritannien ist ein Unterzeichner der Flüchtlingskonvention, und das Recht, Asyl zu beanspruchen, ist ein Menschenrecht. Das Ticket nach Ruanda ist nur ein Hinflug-Ticket, es gibt keinen Weg zurück nach Großbritannien, selbst wenn die Abgeschobenen in Ruanda als Flüchtlinge anerkannt werden sollten. Wir ziehen uns damit komplett aus der Verantwortung, Menschen zu schützen, die verfolgt werden."
Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHRC kritisiert die britische Regierung für ihre Asylpolitik scharf. Flüchtlinge könnten nicht einfach in Drittländer ohne hinreichende Schutzmaßnahmen und Standards abgeschoben werden, heißt es. Großbritannien verletze damit seine internationalen Verpflichtungen.
Kritik auch von Grenzschützern
Die Abschiebeflüge stoppen wollte auch die Public and Commercial Services Union, eine Gewerkschaft, die 80 Prozent der Grenzschutzbeamten vertritt.
Gewerkschaftschef Mark Serwotka zeigte sich nach der Niederlage vor Gericht sehr enttäuscht, auch weil die Grenzschutzbeamten nun etwas umsetzen müssen, was sich noch als rechtswidrig herausstellen könnte: "Ob die Abschiebepolitik tatsächlich legal ist, soll vollumfänglich in einem weiteren Gerichtsverfahren im Juli geprüft werden."