Asylverfahren London will Flüchtlinge nach Ruanda bringen
Immer wieder gelangen Flüchtlinge auf Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien. Nun will das Land illegale Migranten nach Ruanda ausfliegen, damit sie dort auf ihre Asylantrag-Entscheidung warten. Die Idee stößt auf heftige Kritik.
Die britische Regierung will künftig einige Asylbewerber ins afrikanische Ruanda bringen, wo sie auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten sollen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen beiden Ländern getroffen. Insbesondere männliche Migranten sollen nach ihrer illegalen Ankunft im Vereinigten Königreich in das ostafrikanische Land geflogen werden.
Geschäfte der Menschenschmuggler stoppen
Simon Hart, der Regierungsminister für Wales, sagte, das Arrangement koste Großbritannien etwa 120 Millionen Pfund (144 Millionen Euro). Ziel sei, das Geschäftsmodell von Menschenschmugglern zu durchbrechen.
Das ostafrikanischen Land verkündete die Einigung auf ein millionenschweres Abkommen mit London. "Ruanda begrüßt diese Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, um Asylsuchende und Migranten aufzunehmen und ihnen legale Wege zum Aufenthalt" in dem afrikanischen Land zu bieten, erklärte Außenminister Vincent Biruta.
Die Migranten sollen nach Angaben Ruandas "in Gemeinden im ganzen Land integriert werden". Es solle ihnen ermöglicht werden, "sich dauerhaft in Ruanda niederzulassen, wenn sie sich dafür entscheiden".
Marine soll illegale Einreisen verhindern
Der britische Premierminister Boris Johnson stellte klar, dass die britische Marine künftig verhindern solle, dass Menschen illegal über den Ärmelkanal ins Land kommen. "Wir müssen sicherstellen, dass der einzige Weg zum Asyl im Vereinigten Königreich ein sicherer und legaler ist", sagte er. Wer versuche, "die Warteschlange zu überspringen oder unsere Systeme zu missbrauchen", solle "schnell und auf humane Weise" in einen Drittstaat oder ins Herkunftsland gebracht werden.
Die Eindämmung der illegalen Einwanderung war ein zentrales Wahlversprechen Johnsons. Er hatte versprochen, dass Großbritannien nach dem Brexit wieder eigenständig über seine Grenzen und die Zuwanderung bestimmen werde. Während seiner Amtszeit stieg die Zahl der Überfahrtsversuche von Flüchtlingen über den Ärmelkanal aber auf ein Rekordhoch.
"Nicht umsetzbar und inhuman"
Während die Regierung in London von einer "wirtschaftlichen Entwicklungspartnerschaft" spricht, stößt das Vorhaben bei Oppositionspolitikern und Flüchtlingshilfsorganisationen auf heftige Kritik. Sie nannten den Plan "nicht umsetzbar und inhuman". Gewarnt wurde auch vor sogenannten Pushbacks durch die Marine, also der Abweisung von kaum seetauglichen Booten auf offener See.
Steve Valdez-Symonds, Flüchtlingsdirektor der britischen Sektion von Amnesty International, sprach von einer "schockierend schlecht durchdachten Idee". Sie werde weiteres Leid schaffen, und zugleich würden riesige Summen Steuergelder verschwendet. Die düstere Menschenrechtsbilanz Ruandas mache die Idee noch schlimmer.
Der Leiter der Organisation Flüchtlingsrat mit Sitz in Großbritannien, Enver Solomon, sprach von einer "grausamen und fiesen Entscheidung" und prognostizierte, sie werde Menschenschmuggler nicht aufhalten. Die Labour-Partei nannte die Pläne von Johnson "undurchführbar, unethisch und erpresserisch".
Dänemark mit ähnlichen Plänen
Dänemark hatte im vergangenen Sommer ähnliche Pläne verkündet. Ein im Juni verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass Asylbewerber nach ihrer persönlichen Registrierung an der dänischen Grenze in ein Aufnahmezentrum außerhalb der Europäischen Union gebracht werden. Nur wenige Ausnahmen davon sind vorgesehen, etwa bei schweren Erkrankungen.
Die Pläne stießen damals beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der EU auf Kritik. Mit Ruanda unterzeichnete die dänische Regierung eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Asyl und Migration.