Paket zum Klimaschutz beschlossen EU feiert sich als Klimaretter
Nach hartem Ringen hat sich der EU-Gipfel auf ein Paket zum Klimaschutz geeinigt. Die Teilnehmer billigten einen Kompromiss, der erhebliche Zugeständnisse an Deutschland und Polen beim Emissionshandel vorsieht. Umweltschützer kritisierten, die EU sei vor der Wirtschaftslobby eingeknickt.
Der Weg für das Klimaschutzpaket der Europäischen Union ist frei. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte auf dem EU-Gipfel in Brüssel, die Teilnehmer hätten sich einstimmig auf das ehrgeizigste Ziel weltweit geeinigt. Die EU bleibe bei ihrer Absicht, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Jetzt müssten andere Länder folgen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso forderte vor allem die USA auf, mit ihrem neuen Präsidenten Barack Obama gemeinsam mit Europa die Führungsrolle im Klimaschutz zu übernehmen.
"Unsere Botschaft für unsere Partner in der Welt und besonders für die USA heißt: 'Yes, you can.' Ihr könnt auch machen, was wir tun. Ihr könnt auch die Ziele erreichen, die wir uns gesetzt haben."
"Dienstmagd der Industrie"
Umweltschützer und Globalisierungskritiker warfen den europäischen Staats- und Regierungschefs jedoch Versagen im Kampf gegen den Klimawandel vor. Europa habe seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz aufgegeben, erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die EU betreibe eine kurzsichtige Industriepolitik, die Klimaschutz gegen Arbeitsplätze ausspiele. NABU-Chef Olaf Tschimpke sagte: "Die selbst ernannte Klimakanzlerin hat sich zur Dienstmagd der Industrie gewandelt und damit ihre eigenen Ansprüche über Bord geworfen. Es ist unverantwortlich, dass Frau Merkel am Ende vor der Wirtschaftslobby eingeknickt ist."
Die Grünen im Bundestag erklärten: "Die Weltgemeinschaft schaut auf Brüssel und ist entsetzt." Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast und der Spitzenkandidat Jürgen Trittin beklagten, die Regierungschefs hätten ein Paket voller Ausnahmen verabschiedet, das nicht das Klima, sondern die Verschmutzer schütze. Das miese Ergebnis sei auch eine Blamage für die Bundesregierung. "Die vermeintliche Klimakanzlerin Merkel ist entzaubert, sie hat ihr wahres Gesicht als Industrielobbyistin gezeigt. Klimakanzlerin war Merkel nie, Krisenkanzlerin wird sie nicht", kritisierten Künast und Trittin.
Zugeständnisse an Deutschland und Polen
Die Einigung beim Klimagipfel war nach einem langen Ringen zustande gekommen und wurde vor allem durch Zugeständnisse an Deutschland und Polen erreicht. Von ihnen profitieren vor allem die "Energie-Fresser" unter Europas Unternehmen. Wie aus dem Entwurf der Gipfelerklärung hervorgeht, sollen die Industrie und die Kraftwerke in Osteuropa weitaus weniger für ihre CO2-Verschmutzungsrechte zahlen, als die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Damit setzte sich Polen durch, dessen veraltete Kohlekraftwerke besonders viel Kohlendioxid (CO2) ausstoßen. Dies geht auf Kosten anderer Länder, vor allem Deutschlands, da die EU-Klimaziele insgesamt bestehen bleiben.
Zugeständnisse an deutsche Industrie
Deutschland setzte im Gegenzug erhebliche Ausnahmen für die deutsche Schwerindustrie durch. Energie-intensive Branchen wie Stahl- oder Zementfabriken - insgesamt rund 80 Prozent der Industrie - sollen ihre Emissionszertifikate weiter gratis erhalten, sofern sie moderne technische Standards erfüllen. Der von der EU bislang vorgesehene Kauf der Zertifikate ab dem Jahr 2013 entfällt damit. Trotzdem müssen die Betriebe ihre Emissionen bis 2020 um rund ein Fünftel reduzieren, denn die Zahl der Zertifikate wird Jahr um Jahr abgesenkt. Die verbleibenden rund 20 Prozent der Unternehmen sollen indes bis 2020 70 Prozent, fünf Jahre später dann 100 Prozent ihrer CO2-Scheine ersteigern müssen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte mit ihren Forderungen den Verlust von Arbeitsplätzen in Branchen wie Stahl, Chemie oder Zement verhindern. Nach Abschluss der Beratungen zeigte sie sich hoch zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels. Die EU werde ihrer Vorreiterrolle gerecht und sende damit ein "wichtiges Signal" an die UN-Klimakonferenz in Posen, die zeitgleich mit dem Gipfel ergebnislos zu Ende ging. Mit den Beschlüssen sei die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten in Deutschland gebannt. Trotz der Zugeständnisse müsse die Industrie immer noch "einen entscheidenden Beitrag leisten".
Milliarden für die Konjunktur
Merkel teilte zudem mit, dass die Staats- und Regierungschefs sich wie erwartet auf ein 200-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm geeinigt haben. Die Staaten seien "bereit, 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für zusätzliche Maßnahmen einzusetzen, sagte Merkel. Es gibt ein gemeinsames Vorgehen in dieser wirklich tiefen Krise." Die einzelnen EU-Staaten sollen mit 170 Milliarden Euro den Löwenanteil an dem Programm übernehmen. Den Rest soll die EU zuschießen und dazu ungenutzte Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Damit folgte der Gipfel dem Vorschlag, den die EU-Kommission vor zwei Wochen gemacht hatte.
Ob die Bundesregierung nach diesem Beschluss zusätzliche Maßnahmen ergreifen wird, ließ Merkel offen. Bislang hatte sie die Ansicht vertreten, die zwei Maßnahmenpakete der Bundesregierung reichten aus. Ähnlich zurückhaltend äußerte sie sich in Brüssel. "Wir haben ein erstes Paket gemacht, unsere Bundesländer werden zusätzliche Maßnahmen ergreifen", sagte sie. Weitere Schritte werde man am Sonntag bei dem Treffen mit Wirtschaftsvertretern im Berliner Kanzleramt sowie beim Koalitionsausschuss Anfang Januar beraten.