Anhörung vor dem EU-Parlament Oettinger steigt in Brüssel in den Ring
Der Reihe nach nehmen sich die Parlamentarier in Brüssel die künftigen EU-Kommissare zur Brust: Heute soll sich der designierte Energiekommissar Oettinger den Fragen der Abgeordneten stellen. Vor allem die Grünen sehen den Schwaben skeptisch und erwarten ein "politisches Konzept".
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Günther Oettinger hat den heutigen Tag mit Spannung erwartet. Denn die dreistündige Befragung könnte kurzweiliger werden als sein bisheriger Alltag in Stuttgart oder Berlin. "Es geht ja nicht um einen Monolog, es geht um kurze Fragen, um kurze Antworten. Ich bin sicher, die Zeit wird schneller rumgehen als bei mancher Parteivorstandssitzung, die eher langweilig war", sagte Oettinger vorab.
Im EU-Parlament sind bei seiner Anhörung keine Skandale zu erwarten und große Visionen dürfte Oettinger auch nicht ausbreiten. Es geht um Fachwissen und da ist Oettinger vorbereitet, wie er in den vergangenen Tagen betonte.
Große Vorbehalte bei den Grünen
Die Grünen wollen vom Kommissarsanwärter natürlich hören, wie er es denn mit dem Wandel hin zu alternativen Energien hält. "Da geht es um Energieeffizienz, da geht es um erneuerbare Energien, da geht es um die Energieinfrastruktur. Da hätte er eine große Aufgabe, und da wollen wir nicht nur allgemeine Bekenntnisse und Lyrik, sondern ein richtiges politisches Konzept," fordert der Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer.
Für die Partei ist Oettinger immer noch ein Mann der Atomwirtschaft: "Die zweite Frage ist kritisch, ausgehend davon, dass Herr Oettinger in der Vergangenheit eher ein Atomapostel war, dass er eher nah dran war an den großen Energieversorgungsunternehmen, und dass er in einer allerersten Stellungnahme gesagt hat, er werde in Brüssel als Kommissar die Interessen der deutschen Industrie vertreten."
Oettinger: "Europäischer Ansatz für Atommüll-Debatte"
Oettinger kündigte in den vergangenen Tagen an, er wolle das Thema Endlagerung von Atommüll europäisch angehen. Für die Grünen ein gefährliches Thema: Sie wollen, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten den Energiemix bestimmen und sie fürchten, dass Oettingers Vorstoß ein erster Schritt für eine europäische Energiepolitik sein könnte, wie die Grünen sie nicht haben wollen.
Skepsis in dieser Frage herrscht aber auch in der SPD. Der Europaabgeordnete Norbert Glante sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass ein Land bereit wäre, den gesamten europäischen Atommüll aufzunehmen.
Kritischer Blick auf Oettingers Umgang mit EU-Recht
Glante will aber noch ein weiteres Thema ansprechen: "Grundsätzlich will ich von ihm wissen, wie er mit der Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie in Stuttgart im Kabinett umgegangen ist. Da gab es lange Zeit Verzögerungen und für mich und viele Kollegen ist wichtig zu sehen, wie jemand mit europäischer Gesetzgebung umgeht." Und wenn es Oettinger künftig mit 27 Mitgliedsstaaten zu tun habe, müsse man rechtfertigen, wie man zu Hause gehandelt hat.
Jeder der 27 EU-Staaten benennt einen Kandidaten für die EU-Kommission. Danach entscheidet der EU-Kommissionspräsident in Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten über die Ressortverteilung und schlägt die Kandidaten dem EU-Parlament vor. Die Eignung der Anwärter prüfen die Ausschüsse der jeweiligen Ressorts des EU-Parlaments. Die Abgeordneten können die EU-Kommission als Ganzes ablehnen, wenn sie mit einzelnen Kandidaten nicht einverstanden sind. Der EU-Kommissionspräsident wird auf Vorschlag der Mitgliedsländer direkt vom Parlament gewählt. Eine Begrenzung des Gremiums auf weniger Kommissare scheiterte in den Verhandlungen über den jetzt geltenden Vertrag von Lissabon, sodass bei der Aufnahme weiterer Länder die Zahl der Ressorts von derzeit 26 noch weiter steigen wird. Die Amtszeit der Kommission beträgt fünf Jahre.
Wohl keine Fragen zur "Filbinger-Rede"
Ein weiteres Thema aus Oettingers Vergangenheit dürfte dafür kaum eine Rolle spielen: Oettingers umstrittene Rede auf der Trauerfeier für seinen Amtsvorgänger als baden-württembergischer Ministerpräsident Hans Filbinger. Filbinger war Mitglied der NSDAP und hatte als Richter in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges Todesurteile verhängt.
Oettinger hatte in seiner Rede gesagt, Filbinger sei kein Nationalsozialist gewesen sondern ein Gegner des NS-Regimes. Doch die Abgeordneten sind sich offenbar einig: Heute solle es um fachliche Fragen gehen, heißt es aus den Fraktionen.