Geplante Reiseerleichterungen für die Türkei Notfalls doch wieder mit Visum
Mittwoch fällt die Vorentscheidung, ob die Türkei die versprochene Visafreiheit erhalten soll - als Gegenleistung für den Flüchtlingspakt. Vollständig trauen die Europäer den Türken wohl nicht. Denn die Reiseerleichterungen sollen notfalls wieder zurückgenommen werden können.
"Der entscheidende Tag ist der Mittwoch" - darauf verweist die EU-Kommission, wenn man sie nach der geplanten Visumsfreiheit für türkische Staatsbürger fragt. Denn dann erst sitzen sämtliche Kommissare zusammen und befinden darüber, ob sie der EU die Befreiung der Türken von der Visumspflicht empfehlen. Immer klarer schält sich dabei heraus, dass Brüssel dies nicht völlig bedingungslos tun wird. Die EU-Kommission will durchaus Sicherungsvorkehrungen in ihre Zustimmung einbauen, wie Sprecherin Minaa Andreeva betont: "Es ist völlig klar, dass die Visa-Liberalisierung keine Einbahnstraße ist. Sie muss an Bedingungen gebunden sein und stets aufgehoben oder ausgesetzt werden können, wenn die Bedingungen nicht eingehalten werden."
Im Notfall Rücknahme der Visums-Befreiung
Für den EU-Türkei-Pakt heißt das konkret: Die Visums-Befreiung kann auch wieder rückgängig werden, wenn Ankara seine Mitte März verabredeten Verpflichtungen nicht einhält. Wie der ARD-Hörfunk aus EU-Kreisen erfuhr, drängt die Kommission darauf, genau dies noch einmal schwarz auf weiß in der Präambel zur Visa-Vereinbarung mit der Türkei festzuhalten. Damit auch wirklich keine Unklarheiten aufkommen.
Denn im Grunde ist dieser Notfallmechanismus nicht neu, es gibt ihn bereits. Worauf sich die Kommission jetzt auch berufe, stellt Andreeva klar: "Es gibt bereits eine Sicherungsklausel in unseren Visa-Regeln, die eine Aussetzung des Visa-freien Reiseverkehrs unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht."
Für einen EU-Mitglieds-Staat ist es allerdings einigermaßen kompliziert, diesen Notfall-Mechanismus auszulösen. Mit der Klarstellung, dass die Türkei sich an die Verabredungen des Flüchtlings-Pakts zu halten habe, will die Kommission also zum einen deutsch-französische Bedenken zerstreuen, die sich zuletzt gegen eine bedingungslose Visa-Freiheit gestemmt hatten. Zum anderen aber kann sie mit dem Verweis auf längst existierende Regeln möglichen Vorwürfen von türkischer Seite begegnen, die EU versuche in letzter Sekunde, noch Änderungen an dem Pakt vorzunehmen.
72 Bedingungen für die Türkei
Einen Katalog von insgesamt 72 Voraussetzungen muss Ankara abarbeiten, damit die Türkinnen und Türken wie geplant ab Juli ohne Visum in die EU reisen dürfen. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans hatte in den vergangenen Wochen ein ums andere Mal betont, dass alle 72 Bedingungen von Seiten der Türkei eingehalten werden müssten. Nach aktuellem Stand erfüllt sie von diesen Bedingungen 62.
Die EU-Kommission verweist auf beeindruckende Fortschritte in den letzten Wochen: Unter anderem habe die Türkei ihren Arbeitsmarkt auch für nicht-syrische Flüchtlinge geöffnet. Was die Bewertung etwas kompliziert gestaltet: Das Rückführungs-Abkommen mit der Türkei zum Beispiel tritt erst im Juni in Kraft, ist aber gleichzeitig im Bedingungs-Katalog für die Visa-Befreiung enthalten. Gut möglich also, dass die Kommission am Mittwoch vorläufig ihr OK gibt. Um dann im Juni erneut eine Einschätzung abzugeben. Ohnehin ist aber klar: Auch die Einzelstaaten der EU sowie das Parlament müssen der Neuregelung noch zustimmen.
Die Türkei hatte offen gedroht, dass sie den Flüchtlings-Deal platzen lassen würde, wenn die in dem Abkommen vorgesehene Visums-Befreiung für ihre Bürgerinnen und Bürger bei Reisen in die EU bis Ende Juni nicht komme. "Wir wollen, dass das Abkommen in Gänze und für alle türkischen Staatsbürger umgesetzt wird", hatte der türkische EU-Botschafter, Selim Yenel, gegenüber dem ARD-Hörfunk vor wenigen Tagen nochmal klargestellt.