Neue Sicherheitsstrategie EU will die gemeinsame Verteidigung stärken
Beim Gipfel in Brüssel hat die EU-Außenbeauftragte Mogherini eine neue Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik vorgestellt. Mogherini will als Reaktion auf die Krisen und Konflikte die EU sowie die gemeinsame Verteidigung stärken.
Gleich mit ihrem ersten Satz scheint die EU-Außenbeauftragte dem Vorwurf entgegentreten zu wollen, sie betreibe Schönfärberei: "Der Sinn, ja sogar die Existenz unserer Union wird infrage gestellt." Das schreibt Federica Mogherini im Vorwort zu ihrem Strategiepapier, das dem ARD-Studio Brüssel vorliegt. Zahlreiche Krisen innerhalb und außerhalb der EU würden direkt das Leben der Menschen beeinflussen, stellt sie weiter fest, erst recht nach dem Brexit-Referendum.
Aber eine Antwort hat die EU-Außenbeauftragte auch: Eine starke EU werde gebraucht. Wie überhaupt das Wort "stark" eines ist, das Mogherini in diesen Zeiten gerne bemüht: "Die EU ist stark wie eh und je. Und sie kann sogar stärker sein in der Zukunft", sagte die Italienerin gestern nach einem Brexit-Krisen-Treffen mit US-Außenminister John Kerry in Brüssel.
Federica Mogherini will die EU stärken.
Keine Revolution der Außenpolitik
Zum ersten Mal seit 2003 überarbeitet die EU nun also ihre Außen- und Sicherheitspolitik. Selbst ein flüchtiger Blick über die Außengrenzen der EU hinaus genügt, um zu dem Schluss zu gelangen: Das wurde auch Zeit. Auf 32 Seiten wird in dem Papier nun also ausbuchstabiert, wie die Europäer das Leben auf ihrem Kontinent künftig sicherer gestalten wollen. "Davon zu erwarten, dass es die europäische Außenpolitik revolutioniert oder dass ab morgen alles anders läuft, wäre vermessen", meint der Direktor der Denkfabrik "Carnegie Europe" in Brüssel, Jan Techau, im ARD-Interview.
Auch wenn sich die EU-Außenbeauftragte von der Terrorismus-Bekämpfung bis hin zur Energie-Sicherheit einem ganzen Katalog an Themen widmet - einen Schwerpunkt bildet zweifelsohne das Thema Verteidigung. Hier empfiehlt Mogherini der EU, zwei Dinge gleichzeitig zu tun: noch enger mit der NATO zusammenzuarbeiten und gleichzeitig "sich selbst in die Lage zu versetzen, auch auf sich allein gestellt, zu handeln", wie es wörtlich in dem Text heißt.
Das bedeutet nach Ansicht von Jan Techau aber nicht, dass die EU damit die so viel beschworene Europäische Armee anpeilt: "Das ist eine totale Utopie. Hier wird die EU sich nicht selbst rechts überholen. Diese Form der Integration hin zu gemeinsamen Streitkräften auf europäischer Ebene ist weder vorgesehen noch denkbar auf absehbare Zeit." Und in der Tat sucht man das Wort "Armee" im Text vergeblich.
Briten bremsten bei gemeinsamer Verteidigung
Einige britische EU-Ausstiegs-Befürworter hatten vor dem Referendum noch behauptet, Brüssel halte das Papier bewusst unter Verschluss, weil es einer künftigen EU-Armee den Weg bereite. Aber auch die Cameron-Regierung setzte, was das Militärische angeht, stets voll auf die NATO und hielt nie viel von den zaghaften EU-Versuchen, parallel dazu auch mit militärischen Strukturen zu experimentieren.
Wenn sich das Königreich von der EU abnabelt, könnte sich die Ausgangslage hier ändern, meint der Direktor des Programms "Europas Zukunft" bei der Bertelsmann-Stiftung, Joachim Fritz-Vannahme: "Ich glaube, dass dort Fortschritte ohne die Briten auf diesem Gebiet wahrscheinlich leichter möglich sind."
EU leiht Soldaten aus
Auf absehbare Zeit aber wird es so bleiben, dass die EU sich für ihre Auslands-Missionen, zum Beispiel für den Marine-Einsatz im Mittelmeer namens Sophia, Soldaten und Material von den Einzelstaaten sozusagen ausleiht. Militärpolitik wird Sache der EU-Mitgliedsstaaten bleiben.
Auch wenn Mogherini es gerne europäischer hätte. Mehr Absprache, mehr gemeinsame Planung und eine "europäische Verteidigungsindustrie" wünscht sich die Außenbeauftragte. Wenn es nach ihr geht, dann erreicht man damit "ein stärkeres Europa" - nicht umsonst hat sie ihrem Strategiepapier genau diesen Titel verpasst.