Rückführungen in die Türkei Der Pakt der Unwägbarkeiten
Die umstrittene Abschiebung von Flüchtlingen in die Türkei hat begonnen - doch davon haben sich die Schutzsuchenden zumindest im Vorfeld nicht abschrecken lassen. Mehr als 1000 Menschen kamen am Wochenende auf den griechischen Inseln an.
Obwohl heute mit der Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei begonnen wurde, hat die Aktion bislang keine abschreckende Wirkung gezeigt. Innerhalb von 24 Stunden hätten 339 neue Asylsuchende vom türkischen Festland auf griechische Ägäis-Inseln übergesetzt, teilte der griechische Stab für die Flüchtlingskrise heute mit. Am Sonntag kamen demnach 514 Menschen an. Am Samstag waren es 566, am Freitag 339 und am Donnerstag 377 Migranten.
Auf der Grundlage des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei hatte Griechenland am Montag 202 illegal eingereiste Migranten am Morgen in die Türkei zurückgeschickt. Nach griechischen Angaben handelte es sich fast ausschließlich um Migranten aus Pakistan und nordafrikanischen Staaten, die keinen Anspruch auf Asyl hätten. Lediglich zwei Syrer seien darunter gewesen. Sie hätten sich freiwillig gemeldet, weil sie aus familiären Gründen zurück nach Syrien wollten.
"Der ganze Prozess verlief ruhig, alles war sehr geordnet", sagte Ewa Moncure von der europäischen Grenzschutzagentur "Frontex". Moncure wies Vorwürfe zurück, die EU würde mit diesen Abschiebungen Recht brechen. Es würden lediglich Personen zurückgeschickt werden, deren Asylanträge bereits endgültig abgelehnt worden seien.
Unmittelbar vor den ersten Rückführungen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte, ging es um den beiderseitigen Wunsch, die EU-Türkei-Vereinbarungen erfolgreich umzusetzen. Seibert sprach vom "Auftakt eines Prozesses, der unter voller Wahrung der Europa- wie auch völkerrechtlichen Vorgaben ablaufen wird".
Massenhaft Asylanträge
Offenbar stellen die Flüchtlinge auf Lesbos nun massenhaft Asylanträge, um ihre Abschiebung hinauszuzögern. Das sagte die Chefin der für Migration zuständigen Abteilung der griechischen Polizei, Zacharoula Tsirigoti. Von nun an gelte es, Asylanträge zu bearbeiten, bevor weitere Migranten in die Türkei zurückgeschickt werden könnten.
Bislang sind erst wenige deutsche Asylexperten und Polizisten zur Mithilfe bei der Umsetzung des EU-Türkei-Pakts in Griechenland. Unter anderem sollen Fachleute aus Deutschland und anderen EU-Staaten dort bei der Bearbeitung von Asylanträgen helfen. Nach Schätzungen des Krisenstabes sind seit der Schließung der sogenannten Balkanroute gut 52.000 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland gestrandet.
Dem Abkommen zufolge sollen alle nach dem 20. März in Griechenland eingetroffenen Flüchtlinge abgeschoben werden, die kein Asyl in Griechenland beantragen oder deren Anträge abgelehnt wurden. Im Gegenzug für jeden zurückgeschickten Syrer hat die EU zugesagt, einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf legalem Wege aufzunehmen - bis zu einer Obergrenze von 72.000.
Erste Flüchtlinge in Hannover ankommen
In zwei Linienmaschinen aus Istanbul landeten heute sechs syrische Familien am Flughafen Hannover, insgesamt 32 Frauen, Männer und Kinder kamen an. Sie waren vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR als besonders hilfsbedürftig eingestuft worden. Die ersten Flüchtlingen kamen am Mittag im Lager Friedland bei Göttingen an. Sie werden auf Städte und Gemeinden in Niedersachsen verteilt.
In den nächsten Tagen ist die Ankunft weiterer syrischer Flüchtlinge geplant, die durch den EU-Türkei-Pakt nach Deutschland kommen. Das kündigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums an. Genauere Angaben könne er nicht machen. Zu rechnen sei aber mit einer ähnlichen Größenordnung wie zum Auftakt.
Mitarbeit: Thomas Bormann