EU und Türkei Juncker will Tür für Ankara offen halten
Die Verhandlungen liegen auf Eis, die Erdogan-Forderungen nach Wiedereinführung der Todesstrafe senken die Chancen für einen EU-Beitritt der Türkei weiter. Doch EU-Kommissionschef Juncker will dem Land weiter eine Beitrittsperspektive bieten.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält trotz aller Meinungsverschiedenheiten an einer Beitrittsperspektive für die Türkei fest. "Ein Jahr nach dem Putschversuch bleibt Europas Hand ausgestreckt", schrieb Juncker in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Europa stehe gerade auch in schwierigen Zeiten an der Seite der Türkei, betonte der Kommissionschef. Im Gegenzug erwarte er, "dass auch die Türkei klar europäische Farbe bekennt und europäische Grundwerte nachdrücklich beherzigt".
"Als Europäische Union liegt uns viel daran, dass unser Nachbar demokratisch, stabil und wirtschaftlich erfolgreich ist", schrieb Juncker. Im "Mittelpunkt all unseres Handelns" stehe die türkische Bevölkerung. "Ich wünsche mir, dass die Türkei näher an Europa heranrückt statt sich von uns zu entfernen."
"Offener Austausch" mit Erdogan
Mit dem türkischen Präsidenten Erdogan pflege er "einen offenen und mitunter sportlichen Austausch", schrieb Juncker.
Eine europäische Perspektive sei für die Türkei aber an Bedingungen geknüpft: "Wer der Europäischen Union beitreten will, der schließt sich einer Union der Werte an", argumentierte er. "Mit einer solchen Union der Menschenrechte, der Pressefreiheit und der Rechtsstaatlichkeit ist es zum Beispiel in keiner Weise vereinbar, wenn Journalisten wie der 'Welt'-Korrespondent Deniz Yücel monatelang ohne Anklage in Einzelhaft sitzen." Zugleich betonte Juncker: "Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, würde die türkische Regierung die Tür zu einer EU-Mitgliedschaft endgültig zuschlagen."
Die Beitrittsgespräche zwischen Türkei und EU liegen wegen des massiven Vorgehens der türkischen Regierung gegen ihre Gegner seit dem Putschversuch vom vergangenen Juli de facto auf Eis. Bei seiner Rede zum Jahrestag des Putschversuchs erneuerte Erdogan sein Plädoyer für die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Ein solcher Schritt würde einen EU-Beitritt unmöglich machen.
Die Stimmen der Abbruchbefürworter in der EU waren zuletzt immer lauter geworden. So verlangte das EU-Parlament, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren - wenn dort die umstrittene Verfassungsreform in Kraft tritt. Die Aufforderung der Parlamentarier an die Kommission ist aber nicht bindend.