Zeitung zitiert aus Fortschrittsbericht EU kritisiert Reformprozess in der Türkei
Ermittlungen gegen Journalisten, Einschränkungen bei der Versammlungsfreiheit und Stillstand in der Kurdenfrage: So deutlich kritisiert die EU-Kommission den Beitrittskandidaten Türkei in ihrem Fortschrittsbericht. Doch die EU findet auch lobende Worte.
Die EU-Kommission übt in ihrem neuen Fortschrittsbericht überraschend heftige Kritik am EU-Beitrittskandidaten Türkei. Die Brüsseler Behörde wirft der Regierung in Ankara insgesamt einen "bedeutenden Rückgang im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit" vor. Es gebe "insgesamt einen negativen Trend beim Respekt der Rechtsstaatlichkeit und grundlegender Rechte", heißt es in dem Bericht, der gerade in Brüssel vorgestellt wird.
Zudem beklagt die EU-Kommission Mängel im Kampf gegen die Korruption. Auch beim Aufbau eines unabhängigen Justizsystems trete die Türkei auf der Stelle, zitierte die Zeitung "Die Welt" bereits vorab aus dem Papier.
"Wachsende Intoleranz"
Während in der Vergangenheit einige Fortschritte erzielt worden seien und politisch sensible Fragen öffentlich diskutiert werden konnten, "sind neue polizeiliche Ermittlungsverfahren gegen Journalisten, Schriftsteller und die Nutzer sozialer Medien besorgniserregend". Auch mit Blick auf die Versammlungsfreiheit werfe die EU-Kommission der Türkei "eine wachsende Intoleranz gegenüber öffentlichen Protesten und eine restriktive Interpretation des Versammlungsrechts" vor, so die Zeitung.
Zudem bemängelt die EU-Kommission demnach auch den "Stillstand" in der Kurdenfrage und fordert Ankara zur Aussöhnung mit den Kurden auf.
Lob für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge
Ausdrücklich lobe der Bericht die "bemerkenswerten Anstrengungen" Ankaras bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Es habe Fortschritte bei der Integration der Flüchtlinge gegeben: "Aber es existieren einige Gesetzeslücken. Die Türkei sollte noch Gesetze auf den Weg bringen, die Syrern, die unter vorübergehendem Schutz stehen, Zugang zum Arbeitsmarkt erlauben." Mit Blick auf die Sicherung der Grenzen fordert die EU-Kommission von Ankara trotz einiger Fortschritte mehr Anstrengungen. Es fehle immer noch ein "integriertes Grenzmanagement-System" und eine einzige zivile Grenzschutzagentur.
Die EU-Kommission war in die Kritik geraten, weil sie den Fortschrittsbericht nicht wie geplant vor der Parlamentswahl vom 1. November veröffentlicht hatte. Kritiker werfen ihr vor, damit die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt zu haben, um ein Entgegenkommen der Regierung in Ankara in der Flüchtlingspolitik zu erreichen. Offiziell wird der Bericht heute vorgestellt.