Düngemittel aus der Landwirtschaft sind der Grund für die hohe Nitratbelastung im Grundwasser.

Pläne der EU-Kommission Weniger Chemie, mehr Natur

Stand: 20.05.2020 17:15 Uhr

Die EU will erreichen, dass Lebensmittel umweltfreundlicher produziert werden. Dafür soll etwa die Menge an Pestiziden drastisch verringert werden. Nicht nur damit stößt die Kommission jetzt schon auf Widerstand.

"From Farm to Fork", zu Deutsch: "Vom Hof bis auf die Gabel" oder "Vom Acker auf den Teller": Die Experten der EU-Kommission haben sich für ihre Pläne einen griffigen Titel ausgedacht. Laut Kommissionsvize Frans Timmermans geht es darum, Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie auf Dauer umweltfreundlicher und klimaschonender zu machen und auf diese Weise auch den Artenschutz zu stärken.

Ziele, so der Niederländer, die auch und gerade in Zeiten von Corona wichtig seien: "Die 'Farm to Fork'- und die Biodiversität-Strategie sind wesentliche Elemente des EU-Wiederaufbauplans. Sie sind maßgeblich für unsere Gesundheit, maßgeblich für unser Wohlbefinden, und sie schaffen Geschäfts- und Investitionschancen, damit unsere Wirtschaft schnell wieder auf die Beine kommt."

Chemische Schädlingsbekämpfung reduzieren

Im Zentrum des 19-seitigen Konzepts steht die umweltfreundlichere Produktion von Lebensmitteln in der EU. Dazu soll die eingesetzte Menge an Pestiziden, Nitraten und Antibiotika drastisch reduziert werden.

Konkret schlägt Kommissionsvize Timmermans vor, chemische Mittel zur Schädlingsbekämpfung bis 2030 um die Hälfte zu verringern. Gleiches soll für Medikamente in der Tiermast gelten. Bei Kunstdünger wird ein Minus von 20 Prozent angepeilt.

 

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius stellen die Strategie für nachhaltige Lebenmittelproduktion vor.

EU-Kommissionsvize Timmermans, Gesundheitskommissarin Kyriakides und Umweltkommissar Sinkevicius haben ihre Pläne für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion vorgestellt.

Verbindliches Logo soll Orientierung geben

Auch das Problem weggeworfener Lebensmittel oder das des ständig wachsenden Verpackungsmülls will die Behörde im Sinne der Nachhaltigkeit angehen. Mehr und klarere Informationen für mündige Verbraucher seien hier der Schlüssel, meint Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: "Ein einheitliches, verbindliches Logo soll es den Kunden im Supermarkt künftig erleichtern, gesunde und ökologisch unbedenkliche Produkte sowie deren Nährwert auf einen Blick zu erkennen."

Das geplante System orientiert sich an dem aus Frankreich stammenden fünfstufigen "Nutri-Score", den Belgien und Spanien auf freiwilliger Basis schon eingeführt haben und der in Deutschland demnächst kommen wird. Geht es nach der Kommission, soll das neue Label in zwei Jahren verpflichtend sein und auch Angaben über die Herkunft des jeweiligen Lebensmittels enthalten.

Artenvielfalt erhalten

Ein weiteres wichtiges Ziel der EU-Behörde: der Erhalt der Artenvielfalt. Stichwort: Bienensterben. Laut Forschern ging der Bestand an bestäubenden Insekten in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Europa deutlich zurück. Seit 2018 ist daher die Verwendung der weltweit meist versprühten Pestizide, der sogenannten Neonicotinoide, eingeschränkt beziehungsweise verboten.

Zugunsten aller Tier- und Pflanzenarten will die Kommission die ausgewiesenen Naturschutzgebiete in den nächsten zehn Jahren auf rund 30 Prozent verdoppeln. Mindestens ein Viertel der Ackerfläche in der EU soll dann biologisch bewirtschaftet werden.

 

Voller weiߟer Blüten sind Bäume der Gewöhnlichen Robinie (Robinia pseudoacacia)

Bis 2030 sollen die EU-Staaten drei Milliarden neue Bäume pflanzen.

Drei Milliarden neue Bäume

Europas Wälder, als natürliche CO-2-Speicher, will man durch Aufforsten gezielt vergrößern. Bis 2030, so der Plan, sollen die EU-Mitglieder dafür drei Milliarden neue Bäume pflanzen.

Eine intakte Natur sei kein nettes Beiwerk, sondern essenziell - für Mensch und Wirtschaft, sagt Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius: "Zum Nulltarif werden sich diese Pläne freilich nicht verwirklichen lassen."

Kritik von Konservativen und Bauern

Auf rund 20 Milliarden Euro schätzt die Kommission die jährlichen Kosten, die EU, Mitgliedsstaaten und privater Sektor aufbringen müssten. Gegen den grünen Umbau der Landwirtschaft regt sich außerdem Widerstand unter den Bauern und bei Europas Konservativen: "Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Kommission mehr Zeit genommen hätte für entscheidende Folgenabschätzungen und die Frage der langfristigen Versorgungssicherheit. Das Papier der EU-Kommission ist mehr Stückwerk als Strategie", sagt der CDU-Politiker Norbert Lins.

Er ist Vorsitzender des EU-Agrarausschusses und dürfte bei der Umsetzung ein nicht unbedeutendes Wörtchen mitzureden haben. Er will sich dafür einsetzen, dass das Reformkonzept "Vom Acker auf den Teller" noch mal überarbeitet wird. Neue Regeln für die Vergabe der EU-Agrarsubventionen hatten er und seine EVP bereits Ende April erfolgreich abgewehrt.

Holger Romann, Holger Romann, ARD Brüssel, 20.05.2020 15:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Mai 2020 um 05:00 Uhr.