Beschluss des EU-Parlaments Afrikas Armeen winken EU-Millionen
EU-Gelder, die für die Friedenssicherung gedacht sind, können künftig auch an afrikanische Militärs fließen. Kritiker sehen darin einen Tabubruch. Anderen gehen die vom EU-Parlament nun gebilligten Pläne nicht weit genug.
Der EU-Geldtopf, um den es geht, trägt einen irgendwie beruhigend klingenden Namen: Er nennt sich "Instrument für Stabilität und Frieden". Bislang nutzte die Europäische Union ihn, um in Entwicklungsländern zum Beispiel Projekte zur Trinkwassergewinnung, Geschlechtergleichstellung oder Entradikalisierung von Jugendlichen zu fördern.
"Hilfe soll bei Bedürftigen ankommen"
Künftig wird die EU diesen Hilfstopf aber auch anzapfen können, um Sicherheitskräfte - sprich das Militär - gerade in afrikanischen Staaten zu unterstützen. "Afrika braucht professionelle, gut ausgebildete und ausgerüstete Sicherheitskräfte", sagte in diesen Tagen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Dies sei wichtig, um sicherzustellen, "dass unsere Entwicklungspolitik auch wirksam ist und unsere Hilfe bei den Bedürftigen auch wirklich ankommt".
Sicherheit und Entwicklung müssten Hand in Hand gehen, sagt die EU-Außenbeauftragte Mogherini
Sicherheit und Entwicklung müssen Hand in Hand gehen - sonst wird es mit beidem nichts, so Mogherinis Argument. Auch aus den EU-Mitgliedsstaaten ist seit langem die Klage zu hören, dass man mit viel Aufwand Soldaten zum Beispiel in Somalia ausbilde - dann aber das Geld fehle, um die Kämpfer auch nur mit dem Nötigsten auszurüsten. Diese Soldaten müssten folglich mit Flip-Flops als Schuhwerk Terror-Milizen gegenübertreten.
"In keiner Weise verantwortbar"
Kritiker allerdings lassen sich mit solchen Argumenten nicht überzeugen. "Es ist in keiner Weise verantwortbar, dass die zivile Krisenprävention geschrumpft wird", klagt der grüne Außenpolitikexperte Reinhard Bütikofer.
Während Kritiker in dem EU-Vorgehen einen Tabubruch sehen und fürchten, dass in Zukunft Hilfsgelder zunehmend umgewidmet werden, geht mehreren Mitgliedsstaaten die neue Regelung nicht weit genug. "Nach jahrelangem, erbitterten Ringen haben wir lediglich eine Maus geboren", sagte ein EU-Diplomat, der ungenannt bleiben möchte, dem ARD-Studio Brüssel und machte damit aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis.
Was die Mitgliedsstaaten stört: Es bleiben mit dem ausgehandelten Kompromiss Geldtöpfe verschont, an die sie unbedingt heranwollten. "Ursprünglich sollten von den 100 Millionen Euro, die für die Pilotphase vorgesehen sind, 25 Millionen aus der Entwicklungszusammenarbeit genommen werden", erklärt der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz.
Der SPD-Europaabgeordneter Lietz handelte den Kompromiss mit aus.
Es war der Sozialdemokrat, der federführend bei den Verhandlungen mit dafür sorgte, dass nun kein Geld direkt aus einem EU-Entwicklungshilfetopf für militärische Zwecke genutzt wird. Wobei "militärische Zwecke" heißt: Waffen und Munition dürfen mit den EU-Mitteln ohnehin nicht beschafft werden, auch darf keine reine Kampfausbildung für Soldaten finanziert werden.
Rechtliche Bedenken
Obwohl es entschärft wurde, halten nicht wenige das ganze EU-Projekt nach wie vor für heikel - und zwar politisch wie rechtlich. Wie das ARD-Studio Brüssel bereits im Mai berichtet hatte, gelangten der juristische Dienst von Rat und Parlament unabhängig voneinander zu der Auffassung, die Pläne seien mit den Verträgen nicht vereinbar.
Auch SPD-Mann Lietz schließt nicht aus, obwohl er die Sache im Grundsatz nun mitträgt, dass sich eines Tages der Europäische Gerichtshof mit der Frage wird beschäftigen müssen. "Es gab ja auch intensive Debatten im Europaparlament, ob das juristisch überhaupt geht", sagte er.
Für die einen hat der erzielte Kompromiss zu wenig Durchschlagskraft, die anderen hingegen halten die Verwendung von Friedensgeldern für Militärs ganz grundsätzlich für falsch. Trotz der erzielten Einigung scheinen die wenigsten gänzlich überzeugt von dem neuen Instrument, das die EU in Sachen Krisenabwehr nun in den Händen hält.