Kurzer EU-Russland-Gipfel in Brüssel Kein Abendessen mit Putin
Ukraine, Syrien, Handelsschranken: Die EU und Russland streiten derzeit über viele Themen. Einige Abgeordnete sprechen bereits von einer Eiszeit. Die Spannungen haben Auswirkungen auf das Gipfelprogramm, das radikal gekürzt wurde.
Den EU-Spitzen steht der Sinn derzeit nicht nach den üblichen Gipfelritualen. Darum haben sie kurzerhand das übliche Abendessen und allerlei Routineveranstaltungen abgesagt und das Treffen von anderthalb Tagen auf zweieinhalb Stunden zusammengestrichen. So kurz war keines der vorigen 31 Spitzentreffen. Die russische Seite sei "not amused" gewesen, streuen Diplomaten in Brüssel unter der Hand.
Offiziell heißt es, die Entschlackung solle eine Konzentration aufs Wesentliche ermöglichen. Dies sei es ein klares Signal", so Kommissionssprecher Olivier Bailly, "dass die Spitzen beider Seiten sich ernsthaft den Schlüsselfragen der gegenseitigen Beziehungen widmen wollen. Das ist definitiv kein Gipfel der üblichen Art."
Streitpunkte ohne Ende
In der Tat, die Stimmung zwischen der EU und Russland sei auf einem Tiefpunkt angekommen, sagt der FDP-Frontmann im Europäischen Parlament, Alexander Graf Lambsdorff: "Also zurzeit herrscht zwischen der Europäischen Union und Russland ganz klar eine Eiszeit. Das ist kein Gipfel, das ist ein Abstieg von einem Gipfel."
Streitpunkte gibt es ohne Ende: Die russische Unterstützung für den syrischen Diktator Baschar al Assad, die andauernden Handelsschikanen gegen europäische Importe, die aggressive Expansionsstrategie des russischen Gasmonopolisten Gazprom oder die Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte in Russland.
Die Russen wettern gegen die angebliche europäische Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten und sie sind pikiert, dass die EU bei der Gewährung der Visafreiheit auf der Bremse steht.
Der EU "stinkt" es
Seit Jahren wird über ein neues Partnerschaftsabkommen verhandelt. Aber die Russen führten die Europäer die ganze Zeit nur an der Nase herum, meint der Russlandexperte der Grünen, Werner Schulz, und hofft nun, dass die EU-Spitzen José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy heute endlich mal Tacheles mit Putin reden. "Ich glaube, dass sie mittlerweile den Gemütszustand erreicht haben, dass es ihnen wirklich stinkt, was wir von russischer Seite in letzter Zeit erlebt haben. Und dass sie das auch in aller Deutlichkeit anbringen werden." Das Fass des Unmuts zum Überlaufen gebracht haben nun die Ereignisse in der Ukraine.
Großer Druck auf die Ukraine
EU-Diplomaten sagen ganz offen, dass dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Hauptverantwortung für den Beinahe-Bürgerkrieg in der Ukraine zukomme. Weil er die ukrainische Regierung zwang, das schon unterschriftsreife Assoziierungsabkommen mit der EU zu verschmähen. Parlamentarier Schulz sieht das auch so: "Er hat einen regelrechten Handelskrieg ausgelöst. Arbeiter aus der Ukraine durften nicht mehr nach Russland. Mit allen Schikanen hat man versucht, die Ukraine zu zwingen, das nicht zu unterschreiben."
Die direkte Folge war der Beginn der die pro-europäischen Massendemonstrationen in Kiew. "Nun droht ein Bürgerkrieg, weil das ukrainische Regime auf Putins Anraten auch noch handstreichartig die demokratischen Rechte beschnitten hat", glaubt Schulz.
Und so wird die Lage in der Ukraine natürlich im Mittelpunkt des Spitzengesprächs in Brüssel stehen. "Ganz offensichtlich haben die beiden europäischen Präsidenten eine Botschaft zur Ukraine an den Mann zu bringen, und hoffentlich gibt es dann eine Diskussion darüber", betonte Bailly.
Allzu große Hoffnungen macht sich in Brüssel da aber niemand. Dass, was die Chefeuropäer ihm auf Gipfeln nahebringen wollten, hat Putin bislang noch immer kalt gelassen.