EU-Parlamentarier lehnen Haushaltskompromiss ab Spielraum für EU-Haushalt wird immer kleiner
Es war das erwartete deutliche Signal: Eine große Mehrheit des EU-Parlaments hat den Beschluss der Regierungen zum EU-Budget abgelehnt - und damit den mühsam gefundenen Kompromiss zur Deckelung der Gesamtausgaben bis 2020. Der Spielraum bei den anstehenden Gesprächen dürfte begrenzt sein.
Von Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Abstimmung erbrachte das gewünschte deutliche Signal: 506 der 690 anwesenden EU-Abgeordneten wiesen den Gipfel-Kompromiss der Staats- und Regierungschefs zur Finanzplanung zurück. Diese Zweidrittelmehrheit aller Europaparlamentarier will Widerstand leisten gegen das, was die Staats- und Regierungschefs vor gut einem Monat beschlossen haben.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete das Ergebnis als guten Tag für die europäische Demokratie: Das Europaparlament habe gezeigt, dass es als Verhandlungspartner ernst genommen werden müsse. "Wir sind nun bereit, über einen verbesserten mehrjährigen Finanzrahmen zu verhandeln", sagte Schulz. "Ich biete diese Verhandlungen in fairer und offener Weise auf der Grundlage des Mandates, das das Parlament gerade beschlossen hat, an."
Nicht alle Fraktionen halten das "Nein" für richtig
Bei dieser Abstimmung hatte Parlamentspräsident Schulz die vier großen Fraktionen hinter sich: Europäische Christdemokraten, Sozialisten, Liberale und Grüne hatten in einem gemeinsamen Entwurf Neuverhandlungen mit den Regierungen gefordert.
Vor der Abstimmung in Straßburg war es noch einmal engagiert zur Sache gegangen. Der Grünen-Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit machte seinen Parlamentskollegen Mut: "Seid bereit, den mehrjährigen Finanzrahmen auch ganz zurückzuweisen. Damit die Regierungen im Rat endlich kapieren, dass es so nicht weitergehen kann." Dies sei das europäische Gemeinwohl. Dafür müssten die EU-Abgeordneten sich in den nächsten Monaten einsetzen.
Doch so denken längst nicht alle Europaparlamentarier. Es gab auch bei den großen Fraktionen deutlich verhaltenere Töne. Der deutsche Christdemokrat Herbert Reul lehnt den Beschluss der Regierungschefs zum Finanzrahmen nicht völlig ab: "Ich halte das 'Nein' in der Formulierung für falsch." Dies sei ein falsches Signal, sagte Reul - "weil ich glaube, dass es nicht um die Frage der Finanzhöhe geht, sondern um die Frage der Instrumente bei den Verhandlungen".
EU-Parlamentarier müssen sich auf Machbares konzentrieren
In der Tat ist der Spielraum bei den nun anstehenden Gesprächen mit dem Rat begrenzt. Kaum jemand in Straßburg glaubt ernsthaft daran, dass der nach zwei EU-Gipfeln mühsam gefundene Kompromiss der Regierungen zur Deckelung der Gesamtausgaben bis 2020 tatsächlich wieder aufgeschnürt werden kann.
Die britischen Konservativen im EU-Parlament verteidigten den Beschluss des Gipfels von Anfang Februar. Tory Martin Callanan: "Aus meiner Sicht ist dieser Gipfelbeschluss weit davon entfernt, perfekt zu sein. Ich hätte einen Haushalt besser gefunden, der den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen wäre", sagte Callanan. Aber es sei nun mal ein Kompromiss zwischen vielen miteinander konkurrierenden Forderungen.
Und so werden sich die Europaparlamentarier in den Verhandlungen auf das Machbare konzentrieren müssen. Sie wollen eine Sicherheit, dass die EU-Finanzen nicht jedes Jahr ins Defizit laufen, wie das im vergangenen Jahr passiert ist, als auf einmal nicht mehr genug Geld für die Erasmus-Studienprogramme da war. Dazu wollen sie Deckungslücken in der Finanzplanung schließen. Außerdem sollen nicht genutzte Haushaltsmittel in Folgejahre verschoben werden können und die Finanzen nach ein paar Jahren vom nächsten Europäischen Parlament noch einmal geprüft werden. Die Verhandlungen werden vermutlich Monate dauern.