EU-Haushaltsentwurf Geld nur bei Rechtsstaatlichkeit
EU-Kommissar Oettinger stellt seinen Haushaltsentwurf für die Zeit ab 2021 vor. Geld soll es nur noch bei Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geben. Das könnte Polen und Ungarn treffen.
Niemand wird sagen können, man sei darauf nicht seelisch vorbereitet gewesen: Seit Monaten drängt die Bundesregierung hinter den Kulissen darauf, die Vergabe von Hilfsgeldern aus dem EU-Haushalt an Bedingungen zu knüpfen - insbesondere an die Einhaltung demokratischer Spielregeln. Die zuständige Kommission in Brüssel war in der Frage lange gespalten, hat sich aber in den letzten Wochen dann doch auf die Seite Berlins geschlagen.
"Wir müssen, indem wir Geld vergeben - für Forschung, Infrastruktur, Soziales, für Projekte - garantieren können, dass im Streitfall unabhängige Richter über die Mittelbewilligung oder auch die Rückzahlung entscheiden." So lautet die Begründung von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger für den Vorstoß: Wenn es ums Geld geht - um das Geld europäischer Steuerzahler gar - muss man sich aus Brüsseler Sicht bei jedem einzelnen Mitgliedstaat darauf verlassen können, dass dort nicht der Regierung untertänige Juristen urteilen, sollte es zum Streit kommen. "Und der Streitfall kann immer mal wieder geboten sein: Wenn eine Ausschreibung nicht korrekt war, Korruption im Spiel war, Betrug oder Untreue im Spiel sein sollte", so Oettinger.
EU-Haushaltskommissar Oettinger hält eine unabhängige Justiz für eine entscheidende Grundlage bei der Mittelvergabe.
Gefahr der Spaltung?
Ob man den Entzug von Hilfsgeldern wirklich als Druckmittel nutzen sollte, um die Mitgliedsstaaten auf demokratische Standards zu verpflichten, ist innerhalb der EU heftig umstritten. Die einen hoffen, Länder wie Polen oder auch Ungarn zur Umkehr zu bewegen und zurück auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zu führen, indem man dort Druck macht, wo es besonders schmerzt - beim Geld.
Andere hingegen sehen die Gefahr, der innereuropäische Ost-West-Konflikt könnte sich damit noch verschärfen. Auch EU-Kommissionschef Juncker warnte noch vor wenigen Wochen: "Ich wünsche keine neue Spaltung in Europa, davon hatten wir genug."
Polen und Ungarn fürchten Kürzungen
Fest steht, dass die EU-Kommission seit mehr als zwei Jahren beklagt, die Justizreform in Polen höhle die Gewaltenteilung in dem Land aus. Darüber war Brüssel mit Warschau zuletzt immerhin verstärkt ins Gespräch gekommen. Von einer speziell auf dieses Land zugeschnittenen "Lex Polen" jedenfalls kann laut Günther Oettinger in Bezug auf den neuen Vorschlag keine Rede sein. Der Rechtsstaat sei aber nun einmal eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Fördergeldsystems überhaupt.
Polens Ministerpräsident Morawiecki mit Ungarns Premierminister Orban: Beide Länder müssten Kürzungen fürchten.
Die EU-Kommission würde auch gerne die Entscheidung über mögliche Kürzungen in ihre eigenen Hände legen: "Da wir dafür verantwortlich sind, wollen wir auch vorschlagen, dass die Bewilligung oder Verweigerung von Mitteln, wenn das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verletzt sein sollte, zu entscheiden ist", sagte Oettinger.
Jenseits der Frage, ob es sich um einen maßgeschneiderten Vorstoß handelt, der aktuell vor allem auf Polen und Ungarn zielt: Jede Kürzung würde diese beiden Länder erheblich treffen. Warschau bekam zuletzt pro Jahr rund 5,5 Milliarden Euro an Strukturhilfen und ist damit der größte Empfänger dieser Mittel. Auch die ungarische Wirtschaftsleistung wird erheblich durch Zuwendungen aus Brüssel getrieben. Heftiger Streit um den Kommissionsvorstoß ist also zu erwarten.