Beratungen der EU-Justizminister Kein Platz für Hetze im Internet
Es ist die erste Ministerrunde der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: Auf der Tagesordnung der Justizminister steht der Kampf gegen Desinformation und Hetze im Internet. Was hat die EU auf diesem Gebiet bislang erreicht?
August 2015: Die österreichische Polizei entdeckte im Kühl-Lkw einer Schlepperbande Dutzende tote Flüchtlinge. "Natürliche Selektion, kein Mitleid. Leider nur fünfzig, 500 wären besser", lauteten kurze Zeit später die ersten Hasskommentare auf den Online-Plattformen.
Wie Facebook in Zukunft mit solchen Hasskommentaren umgehen werde, fragte Bundeskanzlerin Angela Merkel wenige Wochen später Mark Zuckerberg bei einem Abendessen in New York. "Ich denke, wir müssen daran arbeiten", antwortete dieser vage. Und auf Merkels Nachfrage, ob er die Situation verbessern wolle, kam von ihm ein kurz angebundes "Ja".
Deutschland geht voran, Frankreich fällt zurück
Mittlerweile ist der Facebook-Chef auskunftsfreudiger, wenn er mit den Themen "Hass-Rede" und "Desinformation" konfrontiert wird. Die Online-Plattformen sollten mit diesem Problem nicht allein gelassen werden - nach der Devise "reguliert Euch selbst". Die Internet-Giganten bräuchten vielmehr Regulierungen, und zwar durch demokratische Institutionen, die den Bürgern gegenüber rechenschaftspflichtig sind, betonte Zuckerberg kürzlich während einer Videokonferenz mit EU-Industriekommissar Thierry Breton. Ein neuer Digital-Deal sei unverzichtbar, so Zuckerbergs Appell.
Deutschland hat mit der Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und dem Gesetz gegen Hass und Hetze im Internet bereits wirksame Instrumente auf den Weg gebracht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung scheiterten jetzt hingegen mit einem vergleichbaren Vorhaben vor dem französischen Verfassungsrat. Der befürchtet eine übermäßige Internetzensur, wenn Plattformen und soziale Netzwerke unter hohem Zeitdruck und hoher Strafandrohung entscheiden müssen, ob Inhalte illegal sind und zurückgenommen werden müssen.
Gegen nationale Alleingänge
Um die nationalen Alleingänge in der EU unter ein gesamteuropäisches Dach zu bringen und den zwanzig Jahre alten Rahmen für Digitale Dienste endlich zu modernisieren, plant die EU-Kommission jetzt einen neuen europäischen Rahmen - den sogenannten Digital Services Act. Dazu ruft sie alle zur Mitarbeit auf. Natürlich online.
Bürger, Unternehmen und Plattformen können bis Anfang September Anregungen und Beiträge zum Gesetzespaket für digitale Dienste einreichen. "Wir tun etwas, um unsere Bürger online zu schützen", betont die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova. Und das sei auch dringend notwendig: Denn Hass-Rede, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Formen der Intoleranz seien in Europa auf dem Vormarsch.
Jourova ist in der EU-Kommission zuständig für Werte und Transparenz. Die ehemalige EU-Justizkommissarin initiierte bereits vor vier Jahren einen Verhaltenskodex, mit dem sich die IT-Unternehmen freiwillig verpflichten, gegen Hass- und Desinformationskampagnen vorzugehen. Viele prominenter Plattformen sind dabei: Facebook, Youtube und Twitter zum Beispiel. Mittlerweile akzeptieren auch Instagram, Snapchat und TicToc den Kodex der EU-Kommission.
Erfolge der Selbstverpflichtung
Das Ergebnis kann sich nach Auffassung der EU-Kommission sehen lassen: 90 Prozent der als Hass-Rede markierten Inhalte werden innerhalb von 24 Stunden analysiert. 2016 waren es gerade mal 40 Prozent. Mittlerweile werden durchschnittlich 71 Prozent der beanstandeten Eintragungen entfernt - gerade mal 28 Prozent waren es zu Beginn der Selbstverpflichtung.
Facebook setzt mittlerweile verstärkt auf künstliche Intelligenz, um proaktiv Hassinhalte zu entdecken, bevor sie von Nutzern gemeldet werden. Die Frage, ob Netzwerke aus Angst vor nationalen Bußgeldern - in Deutschland etwa bis zu 50 Millionen Euro bei wiederholtem Verstoß gegen das Netzdurchleitungsgesetz - lieber zu viel als zu wenig löschen, ist allerdings ungeklärt.
Die EU-Kommission zieht sich auf die Formulierung zurück die Konzerne hätten sich verpflichtet, "stets den Grundsatz der Meinungsfreiheit zu wahren". Im Zweifelsfall sollten problematische Beiträge nicht entfernt, sondern in einen Kontext gestellt werden, meint EU-Kommissarin Jourova. Twitter habe es vorgemacht und einen Tweet mit einem Warnhinweis versehen. Und zwar einen Tweet von US-Präsident Donald Trump, der einen Gewaltaufruf enthielt.