Zu Konsultationen EU ruft Botschafter aus Moskau zurück
Die Staats- und Regierungschefs der EU vermuten, dass Russland hinter dem Giftanschlag von Salisbury steckt. Als Reaktion rufen sie den EU-Botschafter in Moskau zu Konsultationen zurück.
Im Konflikt um den Giftanschlag auf einen russischen Ex-Spion in Großbritannien ruft die EU ihren Botschafter in Moskau für Konsultationen zurück. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten damit ihre Entschlossenheit zeigen, bestätigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Es handle sich dabei um eine "Maßnahme", keine "Sanktion".
Die EU verschärft damit ihre Wortwahl gegenüber Moskau deutlich: Der Gipfel "teilt mit der britischen Regierung die Einschätzung, dass höchstwahrscheinlich Russland für den Angriff von Salisbury verantwortlich ist", erklärte EU-Ratspräsident Tusk wörtlich.
In der Form hatten sich die Außenminister der Europäischen Union noch am Montag die britische Sicht der Dinge nicht zu Eigen gemacht. Vor allem auf griechischen Druck hin war die EU-Erklärung damals erheblich abgeschwächt worden. Die Rückenstärkung für London fiel weniger deutlich aus, als sich das die britische und letztlich auch die Bundesregierung erhofft hatten. Jetzt allerdings hat sich die Tonlage hörbar verändert.
"Hier haben wir sehr lange diskutiert, aber dann auch sehr einheitlich gesagt, dass mit aller Wahrscheinlichkeit Russland in Verbindung mit diesem Nervengasanschlag steht", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem in der Tat ausgedehnten Gipfel-Abendessen.
"Teil eines Musters"
Sanktionen in irgendeiner Form verhängt die EU zunächst nicht. In der Abschlusserklärung wird Moskau aber nunmehr auch mit weiteren Schritten gedroht: "Die EU-Staaten werden sich mit Blick auf die Konsequenzen abstimmen im Lichte der Antworten, die Russlands Führung vorlegt." Heißt es wörtlich in dem von allen 28 verabschiedeten Text.
Merkel ergänzte: "Wir sind entschlossen, hier auch durch diese Sprache, aber gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen, einheitlich zu reagieren."
Die Verantwortung für den Nervengasangriff auf einen russischen Ex-Doppelagenten in Salisbury schreibt London eindeutig Moskau zu. Die Attacke sei "Teil eines Musters russischer Aggression gegen Europa und seine Nachbarn", erklärte Premierministerin Theresa May in Brüssel. Und stellte damit klar, dass sie in Moskau eine dauerhafte Bedrohung für die EU-Staaten sieht.
Insbesondere Deutschland und Frankreich hatten sich für eine deutlichere Botschaft an die Adresse des russischen Präsidenten Putin ausgesprochen: Nach einem Dreiertreffen am Rande des EU-Gipfels zwischen Kanzlerin Merkel, Staatspräsident Macron und Premierministerin May teilte das Bundes-Kanzleramt mit, es sei wichtig, eine "starke, gemeinsame Botschaft zu senden."
Angela Merkel mit EU-Ratspräsident Tusk und Österreichs Kanzler Kurz beim EU-Gipfel.
Stirnrunzeln über Juncker
Zuvor hatte innerhalb der EU - wieder einmal - ein heftiges Ringen um den richtigen Umgang mit Russland stattgefunden: Für Aufsehen hatte unter anderem ein Glückwunschbrief von EU-Kommissionschef Juncker an Präsident Putin nach dessen Wiederwahl gesorgt.
Nicht nur die Tatsache, dass Juncker überhaupt schrieb, sorgte für Stirnrunzeln. Sondern auch, dass er in dem Brief an Moskau den Wunsch nach einer "pan-europäischen Sicherheitsordnung" äußerte. "Ich verstehe darunter, dass wir uns - ohne unsere Werte aufzugeben und unsere Prinzipien zu verraten - mit unseren direkten Nachbarn in Europa ins Benehmen setzen müssen", erläuterte der Kommissionschef nun auf Nachfrage des ARD-Studios Brüssel. Und warb damit dafür, verstärkt den Dialog zu suchen.
Nicht wenige in Brüssel hatten zuvor gerätselt, was genau Juncker mit den Zeilen in seinem Brief gemeint haben könnte. Die richtige Dosierung von Druck und Dialog jedenfalls im Umgang mit Moskau wird ein Diskussionsthema bleiben.
Netschajew bekräftigte Russlands Angebot, bei der Aufklärung des Giftanschlags von Salisbury mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. "Aber wir sind gegen Ultimaten und unbewiesene Verleumdungen, geprägt von unangemessenen Aussagen und Parallelen", sagte Netschajew der "NOZ".